Von Feinden umzingelt
Der Jurist Alfons Dür belegt anhand von Originaldokumenten und Bildzeugnissen die ungewöhnliche Lebensgeschichte eines Liebespaares auf der Flucht vor dem Rassenwahn
Von Michael Eschmann
Besprochene Bücher / LiteraturhinweiseMan möge sich einmal folgende Situation vorstellen: Zu Ostern 1942 befreit der 22-jährige Deutsche Heinrich Heinen, aus Köln stammend, unter lebensgefährlichen Bedingungen seine jüdische Braut Edith Meyer aus dem Ghetto von Riga. Gemeinsam flüchten sie Richtung Schweiz, wo sie hoffen, eine Zukunft für ihre Liebe zu finden. In Feldkirch, an der Grenze zur Schweiz, scheitert ihre Flucht. Heinen wird wegen Rassenschande verurteilt, versucht aber im Gefängnis ein zweites Mal, seine Braut zu retten und mit ihr in die Schweiz zu fliehen. Gemeinsam mit anderen Häftlingen durchforstet er Zelle für Zelle nach seiner Braut – vergeblich, denn sie befindet sich bereits auf dem Weg Richtung Auschwitz. Und auch Heinen wird nicht überleben.
Dies alles ist wirklich passiert. Dank Alfons Dür erfahren wir nun von diesem Paar.
Packend erzählt wird eine Geschichte, die eigentlich auch den Stoff für einen großen Roman hätte abgeben können. Aber dann wäre vieles hinzu „gedichtet“ worden und unweigerlich wäre es zu einer Geschichtsverfälschung gekommen. Dies wollte Alfons Dür aber nicht und das ist richtig so. In der wahren Geschichte, wie so oft im Leben, fehlt ein „Happyend“. Es bleibt eine detaillierte und gut gegliederte Dokumentation, die hoffentlich viele Leser finden wird.
Ungewollt wird Heinrich Heinen zum Helden. Und wie viele Helden wird er zugleich zur tragischen Figur. Kannte man dies bisher nur aus der Welt des Theaters und der Literatur, hier ist es traurige Wirklichkeit geworden. Ein nationalsozialistischer Staat, dessen Alltag gerade auch durch Habgier, Neid und Missgunst geprägt war, vollzog dies auch im Privaten. Tief ragte dies in die Familien hinein. Und so verachtenswert es auf der einen Seite bleibt, so wenig verwunderlich ist es letztendlich: Das Liebespaar ist nicht nur am Rassenwahn gescheitert, es ist vor allen Dingen durch den familiären Verrat gescheitert. Homo homini lupus est – Der Mensch ist des Menschen Wolf.
“Was mich an ihm vor allem beeindruckt und berührt, ist die Liebe dieses Mannes zu seiner Edith, die ihn Rassengesetze missachten und den Stacheldraht des Ghettos überwinden ließ.“ Dem kann man uneingeschränkt zustimmen und dennoch: Letztendlich blieben beide stets Gefangene in einem existentiellen Drama: Gefangen in ihrer Zuneigung füreinander, aber auch gefangen in einem System, das ihnen keine Überlebenschance gewährte. Dieses Buch erinnert daran. Empfehlenswert, gewissenhaft recherchiert und leicht verständlich geschrieben.
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