Krieg im Kopf

Zu Roland Sprangers Roman „Kriegsgebiete“

Von Thomas NeumannRSS-Newsfeed neuer Artikel von Thomas Neumann

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Ein ungewöhnlicher Roman liegt auf dem Tisch. Ein Thriller? Ein Kriminalroman? Eine Erinnerung und Aufarbeitung? Roland Spranger erzählt einfühlsam von der verwirrten Psyche eines Bundeswehrveteranen. Und ja, die gibt es wirklich, auch wenn die Problematik von außer Dienst gestellten Berufssoldaten in der bundesrepublikanischen Öffentlichkeit nicht so deutlich hervortritt. Der Protagonist Daniel Schramm war Soldat in Afghanistan. Es gab einen Vorfall, für den er als Vorgesetzter verantwortlich war und bei dem seine Kollegen in Lebensgefahr gerieten und starben. Daniel ist nach dem Verlassen der Bundeswehr traumatisiert. Seine Frau trennt sich von ihm, er zieht aus dem gemeinsamen Haus in den Garten, kann sich nicht mehr innerhalb des Hauses aufhalten, ist nicht mehr zu einer normalen sozialen Beziehung fähig.

Ein Ausgleich zur angespannten sozialen Situation ist sein Freund Maik. Maik trifft Daniel, beide reden, ohne Druck. Maik ist genauso merkwürdig wie Daniel. Er sammelt und verkauft Schallplatten. Damit trägt er wesentlich zum Soundtrack des Buches und zum Grundrhythmus des Protagonisten bei. Er stört sich auch nicht daran, dass Daniel nicht mehr in seinem Haus wohnt, sondern auf einem Sofa im Garten, zwischen Sträuchern und Brennnesseln, mit einem Fernseher, der nicht angeschlossen ist und ebenso wie das Sofa im Regen steht: „Daniel ging durch die Brennnesseln ins Haus. Zögerlich. Noch waren die Brennnesseln weit genug von den Unterarmen entfernt. In ein paar Wochen würde er die Ellbogen heben müssen. Die Beine waren durch die Hose geschützt. Er hatte sich schon lange abgewöhnt, kurze Hosen zu tragen. Daniel wusste: Du kriegst nur Zecken oder einen Sonnenbrand davon. Oder im schlechtesten Fall beides.“

Es tauchen Frauenleichen auf. Indizien führen zu Daniel. Sein Kampfmesser ist verschwunden, wird mit den Morden in Verbindung gebracht. Die Polizei taucht bei ihm auf, verhört ihn: „Daniel versuchte, die Bilder der toten Frauen in Einklang zu bringen. Die Haare im Teich bewegten sich. Als würden die Haare noch leben. Die Fotos der Polizei. Die beiden anderen Mordopfer. Daniel versuchte, die Fotos übereinanderzuschieben, als wäre sein Gehirn ein Bildbearbeitungsprogramm, aber sein Gehirn konnte es nicht mit einem Computer aufnehmen. Wenigstens hatte den ermordeten Frauen vorher keiner Befehle gegeben. Das war selten genug. In Afghanistan war er für die Toten verantwortlich gewesen. Erst implodiert die Verantwortung in der Seele. Dann macht das Gehirn schlapp. Systemfehler.“ Nichts ist einfacher, als einen psychisch gestörten Menschen mit einem Verbrechen in Verbindung zu bringen. Vor allem, wenn die Person die Voraussetzungen und das handwerkliche Geschick für das Töten von Menschen mitbringt. Die Geschichte läuft auf ein spannendes Finish zu. Spranger integriert die Krankheitssymptome des Protagonisten sensibel in die Handlung.

Bekommt es der Protagonist am Ende hin? Zumindest hat er das richtige Mantra, das er vor sich hinsagt, wenn es problematisch wird: „Um sich zu beruhigen, flüsterte er die sieben Tugenden des Samurais vor sich hin, während seine Beine das Rad antrieben: / Gi – Die rechte Entscheidung aus der Ruhe des Geistes. /Yu – Mut, Tapferkeit und Heldentum. / Jin – Das Mitleid, die Liebe und das Wohlwollen. / Rei – Die Höflichkeit und das rechte Verhalten. / Makoto – Die vollkommene Aufrichtigkeit. / Meiyo – Ruhm und Ehre. / Chugi – Pflichtbewusstsein, Loyalität und Hingabe.“

Zusammenfassend ein spannender Thriller, der vor allem auch die psychologischen Aspekte einer posttraumatischen Belastungsstörung bei einem Soldaten thematisiert. Dass hier auch das Thema „Berufsarmee“ durchaus differenziert angesprochen wird, ist Roland Spranger offensichtlich wichtig. Ein gutes Buch mit einem wichtigen Thema, das den Unterhaltungsaspekt nicht aus den Augen verliert. Es verspricht eine kurzweilige und informative Lektüre.

Titelbild

Roland Spranger: Kriegsgebiete. Thriller.
Bookspot Verlag, München 2012.
210 Seiten, 14,80 EUR.
ISBN-13: 9783937357546

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