Hinweis: Psychoanalyse der Rechten

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

"Psychoanalyse der Rechten" ist ein vielversprechender Buchtitel, doch wie etliche andere Beiträge lässt die Einleitung des Herausgebers Anton Szanya das damit vorgegebene Thema völlig außer Acht. Er konzentriert sich ganz, allerdings durchaus erhellend, auf die historische Entstehung und die gegenwärtige Geltung der "Dyade 'rechts-links'". Dass sie trotz aller Krisen noch nicht gänzlich historisch geworden sei, ist eines seiner Resultate. 'Freiheit', Gleichheit', 'Brüderlichkeit': Von diesen Losungen der historischen Linken während der Französischen Revolution habe nur eine als Unterscheidungskriterium den Auflösungserscheinungen der Rechts-Links-Dichotomie standgehalten, nämlich die Gleichheit. "'Links' ist immer mit einer egalitären, horizontalen politischen Version verbunden, während 'rechts' für eine nicht-egalitäre, vertikale politische Vision steht."

Ein Aufsatz von Sigrun Roßmanith über Merkmale und Funktionen von "Ideologien" sieht das offensichtlich anders. Nicht zuletzt das psychologische Experiment von Stanley Milgram, das 1974 in einem Aufsehen erregenden Arrangement den engen Zusammenhang von Gewalttätigkeit und Gehorsam, in diesem Fall Gehorsam gegenüber wissenschaftlicher Autorität, nachzuweisen versuchte, wertet Roßmanith als Beleg für eine der Aufklärung folgende Form ideologischer Wissenschaftsgläubigkeit, die auch für den Nationalsozialismus kennzeichnend war. Sie entsprach einem tief eingewurzelten Bedürfnis nach absoluten Zielen und Werten und der fehlenden Fähigkeit, Ambivalenzen zu tolerieren. Der Aufsatz endet mit einem Plädoyer für die Postmoderne: "'Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit' war der Schlachtruf der Moderne, 'Freiheit, Verschiedenheit, Toleranz' sollte der Weg der Postmoderne sein."

Nach dem Kriterium, das Szanya nach wie vor für gültig hält, wäre die postmoderne Losung der 'Verschiedenheit' als 'rechts' zu verorten. Zwar haben sich im Umkreis der Postmoderne gewiss auch rechtsintellektuelle Spielarten der Moderne-Kritik herausgebildet, doch begriffen sich die bedeutendsten Repräsentanten der Postmoderne selbst, zumindest in der Version, die Rosmanith in wiederholter Berufung auf Zygmunt Baumann vertritt, als totalitarismuskritisch.

Die eigene Fähigkeit, Ambivalenzen zu ertragen, demonstriert Rosmanith im Umgang mit der Psychonalyse. Wenn die Autorin Ideologien als Formen der "Angstbewältigung und Ich-Stabilisierung" beschreibt und sie aus dem Bedürfnis "nach Selbstverankerung im Absoluten" und nach einem "Größenselbst" erklärt, das mit der "Idealisierung von 'Erlösern'" einhergeht, beruft sie sich auch auf Freud. An anderer Stelle indes scheut sie sich nicht, dessen Wissenschaftsgläubigkeit zu kritisieren.

Wie einige andere Beiträge zur "Psychoanalyse der Rechten" in diesem Band steht der von Rosmanith in der Tradition einer 'Kritischen Theorie', die ihr Profil vor allem auch durch ihre Studien über den 'autoritären Charakter' gewann. Alfred Springers Psychoanalyse nationalsozialistischer Reinheits- und Einheitsmythen demonstriert einmal mehr, dass diese Tradition nach wie vor lebendig und produktiv ist.

Von Reinheits- und Einheitswünschen handelt ebenfalls der Beitrag von Werner Bohleber über die "unbewußten Wurzeln rechtsextremer Phantasmen". Den psychoanalytischen Zugang zum Thema rechtfertigt er mit einem starken Argument: "Bei der Erklärung von Nationalismus und Rechtsextremismus haben die Historiker und Politologen bisher die Affekte kaum berücksichtigt." Angemessene Analysen des Rechtsextremismus kommen in der Tat ohne Emotionsforschung kaum aus. Und für diese hat die Psychoanalyse wichtige Vorarbeiten geleistet.

Übrigens: Der Band ging aus einem Symposium in Österreich hervor. Und ausdrücklich von Österreich handelt der abschließende Beitrag von Heribert Schiedel, auch natürlich von der FPÖ und von Jörg Haider - und von der Frage, warum man die "Neue Rechte" nicht so nennen sollte. Es ist zu Vieles alt an ihr.

Thomas Anz

Titelbild

Anton Szanya: Durch Reinheit zur Einheit. Psychoanalyse der Rechten.
Studien Verlag, Innsbruck 2000.
224 Seiten, 20,90 EUR.
ISBN-10: 3706513528

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