Ein „verordnetes Lebenswerk“, ohne „Wenn“ und „Aber“ – Kai Sina rekonstruiert Walter Kempowskis Kunstreligion in ihrer fast vierzigjährigen Entwicklung
Besprochene Bücher / LiteraturhinweiseAuf ihm laste ein „verordnetes Lebenswerk“, diesen Satz notiert Walter Kempowski in sein Tagebuch, da gebe es kein „Wenn und Aber.“ Er bezieht sich mit diesen bekenntnishaft anmutenden Worten auf den ungeheuerlichen Anspruch, der sein schriftstellerisches Selbstverständnis seit jeher und grundlegend bestimmt – der Anspruch nämlich, mit dem aus Romanen, Tagebüchern und monumentalen historischen Textcollagen zusammengesetzten Werk die historische Schuld der Deutschen im Nationalsozialismus zu tragen.
Diese vom Debütroman „Im Block“ (1969) bis in den posthum erschienenen Gedichtband „Langmut“ (2009) beharrlich aufrechterhaltene Überzeugung Kempowskis geht einher mit der umfassenden und anhaltenden Inszenierung seiner Autorschaft, seiner Poetik und nicht zuletzt seines literarischen Werks im Modus moderner Kunstreligion: Durch sein „Opferleben“ vollbringt der Autor ein „Sühnewerk“, verbunden mit der Selbsterhöhung zum christusartigen „Vertreter“.
Die literaturwissenschaftliche Studie von Kai Sina zeichnet dieses kunstreligiöse Konzept – einschließlich seiner Brechungen und Widersprüche – in seiner fast vierzigjährigen Entwicklung nach. Jenseits einer biografisch-personalisierenden Reduktion geht es der Arbeit um eine möglichst vorurteilsfreie Analyse, die eine tragfähige Einordnung des Schriftstellers Walter Kempowski in den Kontext der literarischen Moderne erlaubt. Hierzu wird auch auf bisher unveröffentlichte Dokumente aus dem schriftstellerischen Nachlass zurückgegriffen.
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