Kraken des Todes

Zu Chelsea Cains „Totenfluss“

Von Thomas NeumannRSS-Newsfeed neuer Artikel von Thomas Neumann

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Nachdem Chelsea Cain seit 2007 mit den blutigen Thrillern über die sadistische Serienmörderin Gretchen Lowell in der „Gretchen“-Serie einen relativ hohen Maßstab in Bezug auf Spannung und Blutgehalt ihrer Bücher angelegt hat, geht es im Vergleich zu den dortigen Schilderungen im vorliegenden Roman ein wenig ruhiger zu. Es ist eher ein Kriminalroman als ein Thriller. Die in Portland, Oregon, lebende Autorin schreibt über einen Fluss, den sie zu kennen scheint. Der Willamette River fließt durch Portland, Oregon, also direkt vor ihrer Haustür entlang. Daraus erklären sich dann auch der Detailreichtum und die genauen Beschreibungen, die die Atmosphäre des Romans verdichten. Eine Flutkatastrophe liefert den Hintergrund für die Verbrechen.

Der Willamette River ist über die Ufer getreten. Portland wird von Überschwemmungen bedroht und man baut innerhalb der Stadt hektisch Flut- und Schutzmauern, um Schlimmeres zu verhindern. Im Umland der Stadt sind die Fluten schon angekommen, der Fluss ist voll Treibgut und die Flut fordert erste Todesopfer. Einige Todesopfern sind allerdings eines unnatürlichen Todes gestorben. Ein Serienmörder ist in Portland unterwegs: „Die Polizisten, die um das Karussell herumstanden, sahen mitleiderregend aus. Vornübergebeugt, mit im Wind flatternden schwarzen Ponchos, erinnerten sie Susan an Krähen, die ein Stück Aas plünderten.“

Neben dem Ermittler Archie Sheridan, den man schon aus den Romanen mit seiner bösartigen Gegenspielerin Gretchen Lowell kennt, ist die Journalisten Susan Ward eine der Protagonisten. Sie wird als Journalistin mit einem Augenzwinkern charakterisiert: „Die Frau […] hatte einen amtlich aussehenden Haarschopf und trug einen purpurnen Rollkragenpullover sowie einen Blazer. Sie hatte die Arme bereits verschränkt. Susan kannte die Pose.“ Niemand will mit ihr reden. Eine schwierige Situation für eine Journalistin. Sie ist es aber, die letztendlich das Motto für den ganzen Roman liefert: „Es war einen Versuch wert. Manchmal stellten sich die besten Ergebnisse ein, wenn man nicht einmal wusste, wonach man suchte.“ Ermittler und Hilfspersonal spüren nach kurzer Zeit die Mordwaffe auf, die zu den seltsamsten Waffen eines Kriminalromans gehört und damit schon allein die Lektüre dieses Romans rechtfertigt.

Chelsea Cain hat einen ruhigen Kriminalroman geschrieben, der vor allem durch die genaue Beschreibung Portlands und der Flutkatastrophe interessant ist und in diesen kenntnisreichen Schilderungen einen Gegenpol zu hektischen, aktionsgetriebenen Kriminalromanen bietet – ohne allerdings auf Geschwindigkeit im Handlungsverlauf zu verzichten: „Die Stadt wirkte absolut verlassen. Nirgendwo waren Menschen. Nirgendwo parkten Autos. Die Ampeln waren aus. Wasser lief wie ein Wildbach über den Asphalt. Die dünnen, kahlen Äste der Bäume entlang der Gehwege zitterten im Wind. Alles glänzte nass und schwarz wie der Pazifik bei Nacht.“

Titelbild

Chelsea Cain: Totenfluss. Thriller.
Übersetzt aus dem Englischen von Fred Kinzel.
Blanvalet Verlag, Berlin 2012.
383 Seiten, 9,99 EUR.
ISBN-13: 9783442378579

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