Nur ein Coffee table book?
Zur Faksimileedition von Petermann Etterlins „Kronica von der loblichen Eydtgnoschaft“
Von Klaus Graf
Besprochene Bücher / LiteraturhinweiseAm 24. Dezember 1507 vollendete der Basler Drucker Michael Furter den Druck eines über 200 Seiten umfassenden, mit zahlreichen Holzschnitten repräsentativ ausgestatteten Folianten: die erste gedruckte Geschichte der Schweiz, verfasst von dem Luzerner Geschichtsschreiber Petermann Etterlin. Guy P. Marchal, der verdiente Erforscher eidgenössischer Identität in der Vormoderne, würdigt das Werk in seinem mit drei Seiten allzu knapp geratenen Nachwort zur Faksimileausgabe als „wichtiges Zeugnis der publizistischen Selbstbehauptung der Eidgenossenschaft zu Beginn des 16. Jahrhunderts“. Offenbar wollte man Ende 1507 mit Blick auf die im Februar 1508 bevorstehende Kaiserkrönung Maximilians I., der 1499 in einem antieidgenössischen Manifest eine Negativgeschichte des im Südwesten des Reichs entstandenen Gemeinwesens entworfen hatte, eine Art „Gegendarstellung“ vorlegen. Angesichts der heftigen Polemik gegen die „Kuhschweizer“ verwundert es nicht, dass dieser Rechtfertigungsversuch bei den reichstreuen Publizisten auf Ablehnung stieß. Nur Falsches und Widerwärtiges habe Etterlin geschrieben, warf ihm 1509 der Tübinger Humanist Heinrich Bebel vor.
Etterlin war über weite Strecken eher Kompilator als Autor. Er bediente sich großzügig bei der handschriftlichen Chronik Jakob Twingers von Königshofen, aber auch bei den gedruckten Geschichtswerken Hartmann Schedels und des sogenannten Thomas Lirer. Bei der Schilderung der Burgunderkriege nimmt man an, dass er aus eigener Augenzeugenschaft berichtete, denn er hatte an ihnen als Mitglied des Luzerner Aufgebots selbst teilgenommen. Wie die anderen Chronisten seiner Zeit verfolgte er didaktische Ziele: Die Jugend soll sich vor Übermut hüten, wie die Väter vor der Schlacht beten und im Krieg die Disziplin wahren. Zugleich streute der Chronist anekdotische Geschichten ein, um Lehre mit Unterhaltung zu versüßen.
Wer in dem Band blättert, kommt nicht umhin, sich die Frage zu stellen: Cui bono? Für die Wissenschaft ist er wertlos, da Eugen Grubers wissenschaftliche Edition des Werks (erschienen 1965) nach wie vor verbindlich ist und seit Jahren Digitalisate der in zwei Varianten vorliegenden Originalausgabe beim Münchner Digitalisierungszentrum im World Wide Web verfügbar sind. Laien werden in der Regel Probleme haben, die Frakturschrift zu lesen und Etterlins Deutsch zu verstehen. Ihnen wäre mit einer kommentierten Ausgabe in modernisierter Sprache eher geholfen gewesen. So drängt sich der Eindruck auf, dass der traditionsreiche Faksimileverlag hier ein reichlich überflüssiges „Coffee Table Book“ auf den Markt geworfen hat.
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