Finnischer Wodka, finnischer Tango, finnische Krimis?

Tapani Bagge schreibt skurrile Krimis, die in Deutschland bei Suhrkamp erscheinen, solange es Suhrkamp noch gibt

Von Walter DelabarRSS-Newsfeed neuer Artikel von Walter Delabar

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Mit Gangstern ist nicht gut spaßen, vor allem wenn man sie beklaut. Wenn Veke mit einem geliehenen Mofa in die Stadt fährt und zwei merkwürdigen Gestalten einen Koffer vom Rücksitz klaut, in dem sich eine Menge Geld befindet, dann glaubt er, enormes Glück gehabt zu haben, aber es kann sein, dass er dann nicht mehr lange lebt. Auch wenn die beiden Drogengeldboten von unglaublicher Dämlichkeit sind.

Was insofern bereits bedenkenswert ist, weil die finnischen Gangster vielleicht nicht weniger gewaltaffin sind als ihre internationalen Kollegen, zumindest im Krimigenre. Was den IQ aber angeht, scheinen sie eher den Mittelwert deutlich nach unten zu drücken. Selbst die Führungskader blicken in Sachen kriminelles Geschäft und strategisches Denken kaum weiter als sie spucken können. Wenn sie denn mit ihrem drogenverbannten Hirn überhaupt noch spucken können. Das bisschen, was man hat, kann man sich ja auch noch aus dem Kopf treiben. Den Rest besorgen sie eben mit dem Ballermann. Hilft immer.

Das führt wiederum zu einer Reihe von Kollateralschäden, die zwar blutig, aber ziemlich unbeabsichtigt sind. Das erzeugt zahlreiche Fragezeichen, treibt aber die Handlung in ganz unerwartete Richtungen, was ja auch wieder etwas für sich hat.

Und überhaupt: So gesehen wundert es wohl niemanden, wenn sich Gangster am besten und schnellsten gegenseitig ausrotten. Wofür braucht es noch die Polizei, wenn es Rivalen gibt? Am besten noch welche aus dem eigenen Haus?

Das bringt einen auf die naheliegende Frage, warum sich Leute eigentlich auf solch anstrengende Jobs wie Drogenhandel oder Banküberfälle verlegen. Will man das gut machen, muss man sich ziemlich anstrengen, und die Erfolgschancen wachsen dadurch nicht einmal besonders stark an.

Aber zurück zu Veke, mit dessen kleinem Coup alles anfängt: Denn kaum zurückgekehrt von seinem kleinen Raubzug, fliegt er gleich mit einem Drogenlabor in die Luft (das dem Sohn seiner Geliebten und Vermieterin gehört). Seine Nichte Leila fährt zu seiner Beerdigung (eine Fahrt, bei der ihre Karre erstmal den Geist aufgibt, was schon kein guter Anfang ist).

Und weil sie eben Polizistin ist, fängt sie an nachzuhaken und nachzubohren, wieso der geliebte kleine Gauner in die Luft geflogen ist. Dabei kommt dann heraus, dass die Gastgeberin des Herrn sich aus jeder Bredouille mit dem Anbau von Dope herausschlagen will. Oder dass der Sohn noch härtere Sachen zusammenbraut, die aber ein wenig schwerer zu beherrschen sind. Dabei trifft Leila auch auf die beiden Herren mit Intelligenzbedarf, die sich den Koffer mit Geld haben klauen lassen. Das ist sehr lustig zu lesen.

Nun hat diese Leila, wie wir bereits wissen, einen Lebensgefährten namens Allu, der nun leider kein Polizist, sondern ein Krimineller ist. Zwar versucht er sich aus der Szene abzusetzen, da Allu und Leila ein gemeinsames Kind haben. Aber das ist eben nicht so einfach.

Vor allem dann nicht, wenn einen der Pate auffordert, sich aufzumachen und nach dem Geldkoffer zu suchen, der seinen Leuten abhanden gekommen ist. Also lässt Allu das Kind bei einer Nachbarin und macht sich – wie wir bald erfahren – auf dieselbe Suche wie seine Lebensgefährtin, was natürlich dazu führt, dass die beiden irgendwann aufeinander stoßen. Was natürlich auch dazu führt, dass es einen Rattenärger gibt, weil Allu, statt sich um seinen Sohn zu kümmern, im Lande herumfährt, um nach einem Koffer zu suchen.

Da fragt man sich, was schlimmer ist, ein Gangsterboss im Delirium, der einem die Rübe wegballern wird, wenn man ihm nicht bringt, was er will, oder die eigene Frau, die einem das Kind anvertraut hat und feststellen muss, dass man es schnellstmöglich irgendwo geparkt hat. Die Antwort wird jedem Vater und Ehemann/Lebensgefährten leicht fallen. Allu am Ende auch, aber bis dahin macht er sich auf die Suche. Seine Gefährten, ein ehemaliger Gangster und ein Schläger, bei dem man sich fragt, ob er nicht für die Steuerung seiner Gliedmaßen so eine Nervenverdickung braucht, wie sie große Saurier hatten, die ansonsten eher minderausgestattet waren. Das ist schon ziemlich hart, was man da liest.

Mit anderen Worten: Was Aki Kaurismäki für den Film, das ist Bagge für den Krimi. Das mag an Finnland oder am Wodka liegen oder daran, dass es da weniger Sonne und längere Winter geben soll. Jedenfalls schreibt Bagge ungemein skurrile Krimis, deren Witz eben darin besteht, dass er zwar überzieht, aber nur so minimal, dass es alles halbwegs noch passt, und doch ungemein komisch ist. Das ist etwas, was Krimisschreibern eigentlich nie gelingt, aber eine Ausnahme wie Bagge wird jeder gern hinnehmen. Und werden wir wohl noch hin und wieder bekommen, wenn es denn Suhrkamp noch eine Weile gibt. Allein schon deshalb.

Titelbild

Tapani Bagge / Stefan Moster: Das Begräbnis des Paten. Kriminalroman.
Suhrkamp Verlag, Berlin 2012.
245 Seiten, 8,99 EUR.
ISBN-13: 9783518463871

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