Mischform feuilletonistischer Betrachtungen
Iris Hanika macht in „Tanzen auf Beton“ aus der Not keinen Roman
Von Judith Berges
Besprochene Bücher / LiteraturhinweiseOft machen Schriftsteller aus der Not eine Tugend: Sie leiden an sich und der Welt und schreiben darüber. Im besten Fall werden auf diese Art Gefühlslandschaften freigelegt und Perspektiven zugänglich gemacht, die sich ein Alltagsmensch, der funktionieren muss oder will, nicht erlaubt, weil er dafür ein Maß an Empfindlichkeit zulassen müsste, das die Alltagsfunktionalität gefährden würde.
Iris Hanika ist dafür ein Musterbeispiel: In ihren Romanen „Treffen sich zwei“ und „Das Eigentliche“ zeichnet sie mit äußerster sprachlicher Genauigkeit extreme Gefühlslagen und komplexe Wendeltreppengedanken ihrer Figuren nach und lässt diese so intensiv und empfindsam die innere und äußere Realität abtasten, dass sich der Leser mal lachend, mal schmerzlich getroffen in eigene Untergründe geführt sieht. Daneben steht ihr zusammen mit ihrer Psychoanalytikerin Edith Seifert verfasstes Buch „Die Wette auf das Unbewusste“, eine Art autobiographisch-essayistische Einführung in die Lacansche Psychoanalyse. Die Verbindungen zwischen Lebenserfahrung, psychoanalytischer Technik und künstlerischer Produktion sind offensichtlich. Nun hat Iris Hanika diese Strategie fortgesetzt mit dem auch wieder als „Roman“ deklarierten „Tanzen auf Beton“.
Auf ihrer Homepage ergänzt die Autorin selber: „Roman von der unendlichen Analyse, der Lebensroman. Zugleich Essay, Bericht, Feuilleton und Chronik“. So ein Bezeichnungsrundumschlag lässt nichts Gutes ahnen. Es wirkt, als wüsste die Autorin selber nicht, was das Buch eigentlich ist und was sie damit wollte. Und so liest es sich auch. Eine Mischform aus recht beliebigen feuilletonistischen Betrachtungen unterschiedlicher Sujets – Musik, Reisen etc. –, Tagebuch und Grundwissen Psychoanalyse. Verbunden nur durch die Person der Autorin und erzählenden Hauptfigur, deren Entwicklung sich in diesem angeblichen Roman nicht vollzieht, sondern lediglich etwas lieblos referiert wird. Wie um dieser Schludrigkeit zu wehren, setzt Hanika ihre bewährte sprachliche Technik der Hyperpräzision und des Zitats aus Klassik, Pop und dem restlichen Fundus des umtriebig gebildeten Zeitgenossen ein. Doch hier wirkt diese Technik zu oft bemüht, unmotiviert, zur Masche heruntergekommen. Das ganze erscheint formal und inhaltlich faul – weder ist das Buch so mit Spezialwissen gesättigt und antiliterarisch spröde wie die Themenromane etwa von Thomas Meinecke oder Dietmar Dath, noch ist es sprachlich ausreichend durchgearbeitet, um als künstlerische Fiktion zu bestehen.
Das kann einen wütend machen, denn Hanikas Themen und die Verve, mit der sie dieselben angeht, hätten Besseres verdient. Über die Verquickung von weiblichem Begehren, Neurose und Einsamkeit jenseits der Jugend offen und intelligent für den breiten Markt zu schreiben, ist ein Verdienst. Aber die Chance, das wirklich überzeugend zu machen, wird hier vertan. Auch dieses Buch enthält klare Beweise von Hanikas außerordentlichen literarchirurgischen Fähigkeiten, aber leider wirken diese Stücke zumeist wie willkürlich hineingenommen, weil man sie halt grad hatte und verwerten wollte.
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