Bis zu 5.000 Kamele

Ralph A. Austen informiert über den Handel in der Sahara

Von Georg PatzerRSS-Newsfeed neuer Artikel von Georg Patzer

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Da dachten wir, die Wüste sei leer. Eine gigantische Anhäufung von Sand, Sonne und Wind. Eine riesige Leere, durch die ein paar Kamele laufen, ein paar Beduinen – wie in „Lawrence von Arabien“. Eine Leere, in der die Weltreligionen entstanden: Jesus und Mohammed waren eine Zeitlang in der Wüste und kamen verändert zurück, Moses zog durch sie. Aber die Wüste lebt. Und sie lebte schon immer. Schon vor tausenden von Jahren gab es Handelsrouten durch die Sahara („Sahara“ heißt nichts anderes als „Wüste“, „Sahel“ heißt übrigens „Ufer“). Die Wüste war auch immer schon ein Schauplatz der Geschichte.

Der emeritierte Professor für Afrikanische Geschichte Ralph A. Austen erzählt die Geschichte der Sahara als „Austausch von Ideen und Waren“. Schon in römischer Zeit prägten die Garamten den Handel mit Karthago, Rom und Ägypten. Und sie erfanden auch sinnreiche Bewässerungssysteme, mit denen es sich in der Wüste angenehm leben ließ, zwischen 800 und 1900 unserer Zeitrechnung wurde die Sahara zu einem wichtigen Umschlagplatz. Vor allem der Islam als beherrschende und einigende Religion Nordafrikas sorgte dafür, dass die westöstlichen und nordsüdlichen Handelsströme frei fließen konnten. In Karawanen von bis zu 5.000 Kamelen zogen die Händler tausende von Kilometer weit, um Gold, Elfenbein und Sklaven nach Europa, Richtung Mittelmeer, Salz, Textilien und Keramik in die Wüste zu schaffen. Während der Islam vor allem an weiblichen Sklavinnen interessiert war, wollten die Europäer, die ab dem 16. Jahrhundert den Sudan als „Rohstoffgebiet“ entdecken, männliche Sklaven für die Plantagen – eine friedliche Koexistenz war die Folge. Das war nicht immer so, denn es tobten ansonsten auch viele Machtkäpfe zwischen den saharischen und den maghrebinischen Herrschern, die teilweise bis nach Senegal und Timbuktu herrschten.

Eine Handelsstraße der Sahara führte über Timbuktu, eine andere über den Fezzan nach Bornu-Kanem und Darfur. Von Timbuktu ging es auch nach Senegal und Mauretanien, nach Marrakesch, Ägypten und in den Sudan. Und diese Routen waren sogar relativ sicher, wie die gut dokumentierte Pilgerfahrt des Herrsches von Mali, Mansa Musa, im Jahr 1324 nach Mekka zeigt. Allerdings erst, nachdem sich der Islam und sein einheitliches Rechtssystem durchgesetzt hatte. Wobei an den Rändern immer noch eine Vermischung stattfand, wie am mittleren Niger, wo sich der orthodoxe Sunnismus mit den überlieferten Lehren der Einheimischen vermischte.

Ralph Austen hat ein eindrucksvolles (und natürlich sandfarben eingebundenes Buch) vorgelegt. In dichter Fülle und mit vielen Details informiert es erschöpfend und konzis über die historische, wirtschaftliche und kulturelle Bedeutung der Sahara. Leider ist das Buch insgesamt etwas trocken geraten, auch wenn es gut lesbar ist. Selten gibt es Anekdoten wie die von den Griechen, die die Menschen in der Sahara als wild bezeichneten: „Es waren überwiegend Weiber, die am ganzen Körper behaart waren; die Dolmetscher nannten sie gorillai.“

Titelbild

Ralph A. Austen: Sahara. Tausend Jahre Austausch von Ideen und Waren.
Verlag Klaus Wagenbach, Berlin 2012.
240 Seiten, 24,90 EUR.
ISBN-13: 9783803136435

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