„Keiner der Herren Regie-Assistenten mehr im Hause“

Bertolt Brecht und Helene Weigel schreiben sich Briefe

Von Georg PatzerRSS-Newsfeed neuer Artikel von Georg Patzer

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Briefe von berühmten Menschen an ihre Ehefrauen oder Geliebten sind so eine Sache. Einerseits will man ja möglichst alles erfahren, wenn es um einen Autor geht, für den man sich interessiert oder gar begeistert, andererseits haben viele solcher Briefe keinen Aussagewert. Im Briefwechsel von Bert Brecht mit seiner Frau Helene Weigel ist das so, sehr oft jedenfalls. Viele ihrer Briefe sind überhaupt verloren gegangen, durch den Krieg, die vielen Fluchten und Umzüge, irgendwo versickert. Außerdem ist ein Liebes- oder Ehepaar ja auch sehr oft zusammen, für diese Zeit ist überhaupt kein Brief überliefert. Bis Oktober 1951 gibt es von ihr insgesamt nur fünf Briefe an ihn.

Lang sind sie meist auch nicht: Viele Briefe Brechts sind in einer recht direkten Anweisungssprache gehalten, es sind kurze Mitteilungen von ihm, was Helene Weigel wo besorgen soll, was sie wo hinschicken soll, worum sie sich kümmern muss. Das sagt zwar einiges über den Menschen Brecht aus, hilft aber auf Dauer auch nicht weiter. Also eine betrüblich kurze Korrespondenz. Zudem so mancher Brief, manche Karte so wie diese aussieht: „Liebe Helli, die Nr. von Unkauf ist 101! Ich selber fahr heute Sonntag mit Nachtschnellzug, da Cas Panne hatte! Herzlich bert. Küsse Steff!“ (Unkauf ist ein Reisebüro.)

Nur sehr selten sind Brechts Briefe länger als solche kurzen Notizen. 1933 schreibt er, als er eine Geliebte hat und manches nicht mündlich klären will: „gegen das Sprechen habe ich eine solche Abneigung, das ist immer ein Kämpfen“. Und er fährt fort, er „fürchte Privatkonflikte, Szenen usw., die mich sehr erschöpfen. Nicht aber lebe ich ausschweifend. Davon ist keine Rede.“ 1946 berichtet er seiner Frau den sehr schlechten Krankenzustand von Ruth Berlau und endet mit: „Das ist der längste Brief, den ich je geschrieben habe.“

Auffällig ist auch, dass im Briefwechsel nicht einmal die Zeitläufte, der Krieg, die Naziherrschaft vorkommen. Ein Brief von 1943, während der Krieg an der Ostfront sich zu wenden beginnt, beginnt mit den Worten „Liebe Helli, die Fahrt unangenehm, die Kriminalromane schlecht. Hab vergessen, Adressen von Korsch und Reyher mitzunehmen. Bitte, schreib mir. Bräuchte auch ein englisches Exemplar der ‚Simone‘ (letzte Fassung, wo zum Schluss der Engel noch einmal auftritt)“. Wie auch insgesamt bedauerlich ist, dass sich die Briefe nie aufeinander beziehen, es gibt keine direkten Antworten, keinen Dialog. Meistens geht es doch darum, irgendetwas zu organisieren. Auch ihre Briefe klingen geschäftsmäßig: „Lieber Brecht, ich musste feststellen, dass es ab 14.00 Uhr keinen der Herren Regie-Assistenten mehr im Hause gibt und dass sie sich auch nirgends abmelden.“ Nur selten blitzt hier und da etwas wie Liebe oder Zärtlichkeit auf, es geht fast immer nur ums Theater, das er schreibt und inszeniert und das sie in der DDR als kluge Intendantin führt.

Leider sind auch die Anmerkungen des Herausgebers für den unbedarften Leser und den Nicht-Brecht-Spezialisten ziemlich unbrauchbar. So richtig erläutert werden die Beziehungen zu Brechts Freunden nicht. Einmal ist die Rede von einem Prozess, und es wird nicht einmal mitgeteilt, wie er ausgegangen ist. Einmal wird erwähnt, dass Walter Benjamin über die gemeinsame Zeit mit Brecht in Südfrankreich ein Tagebuch geführt hat, aber es wird nicht, was ja naheläge, sein Text dazu abgedruckt, sodass man mal eine andere Sicht auf ihn hat, zudem auch das Tagebuch im Suhrkamp Verlag erschienen ist.

Titelbild

Bertolt Brecht / Helene Weigel: "ich lerne: gläser + tassen spülen. Briefe 1923-1956. Briefwechsel zwischen Bertolt Brecht und Helene Weigel.
Herausgegeben von Erdmut Wizisla.
Suhrkamp Verlag, Berlin 2012.
402 Seiten, 26,95 EUR.
ISBN-13: 9783518418574

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