Von spanischen Weinen und wahrer Freundschaft

Javier Fernández de Castro erzählt in seinem Roman „In Erinnerung an einen vorzüglichen Wein“ die Geschichte dreier Freunde und ihrem abenteuerlichen Kurzausflug in die spanische Sierra Urbasa

Von Eleonore AsmuthRSS-Newsfeed neuer Artikel von Eleonore Asmuth

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Als sich die zwei Freunde Santiago Malpás und F.R. eines schönen Tages in einem kleinen spanischen Städtchen irgendwo in Navarra treffen, um den mysteriös anmutenden Auftrag eines gemeinsam Freundes auszuführen, ahnen sie noch nicht, auf welch abenteuerliches Unterfangen sie sich eingelassen haben. Die Order des Dritten im Bunde, Modesto Cumba, ist dabei ebenso einfach wie undurchsichtig: Die Freunde sollen in seinem Haus in Logroño einen Stapel Pakete abholen und diese anschließend zu einer Berghütte irgendwo in die Sierra Urbasa bringen. Dort, so die Weisung des Freundes, würde er auf die beiden warten. Was sich in den Paketen befindet und warum sich Cumba offenbar in einer einsamen Hütte mitten im Nirgendwo verschanzt, bleibt den Freunden sowie dem Leser völlig unklar.

Auf den folgenden knapp 100 Seiten schickt der Autor seine Protagonisten auf eine Reise ins Ungewisse, deren Ziel – so viel bleibt immer sicher – das „ebenso dringende wie merkwürdige Treffen“ mit Modesto Cumba, einem spanischen Winzer und chronisch Geschiedenen, darstellt. Die Autofahrt wird dabei begleitet vom ständigen Rätselraten ob der Situation des Freundes und der Verköstigung diverser Flaschen Wein. So entspinnen sich, wohl auch dem alkoholischen Genuss geschuldet, diverse Spekulationen über den Verbleib des Freundes und Theorien darüber, womit seine missliche Lage, die offenbare Flucht in die Berge, zusammenhängen könnte – allerdings ohne erhellende Einsichten, was die Spannung beträchtlich erhöht.

Parallel zum Fortlauf der abenteuerlichen Reise erfährt der Leser schlaglichtartig in Form von Rückblenden vom Kennenlernen des Trios: Eine noch recht junge Freundschaft, deren Beginn auf einem tragischen Unfall basiert. So komplettiert sich mosaikartig das Bild der drei Protagonisten von Kapitel zu Kapitel und die Sorge der Freunde um den verschwundenen Cumba erreicht schlussendlich auch den Leser.

Höhepunkt des kurzen Romans stellt schließlich das Aufeinandertreffen der drei Männer in der abgelegenen Berghütte dar. Dabei bieten diese letzten Szenen alles, was eine gute Geschichte ausmacht. Sie überraschen den Leser und geben der Story die letztendliche Stoßrichtung: Es geht – wie sollte es bei diesem Titel auch anders sein? – um „vorzüglichen Wein“, um wahre Freundschaft und den Sinn des Lebens. Und natürlich kommt auch diese Geschichte nicht ganz ohne das Mitwirken des weiblichen Geschlechts aus. Als die drei Freunde zu guter Letzt auch noch von einer Horde Kühe buchstäblich überfallen werden und dieses Ereignis die Aufklärung des mysteriösen Treffens in die Länge zieht, ist die Komik perfekt und der skurrile Höhepunkt des Spannungsbogens erreicht.

So ist „In Erinnerung an einen vorzüglichen Wein“ eine amüsante Geschichte, die sich dem großen und bisweilen schweren Thema Freundschaft verpflichtet, dabei jedoch locker und leicht von Zusammenhalt und Solidarität erzählt. Dem 70-jährigen Javier Fernández de Castro gelingt dabei aufgrund seines prägnant einsilbigen Schreibstils eine aberwitzige Geschichte, die am Ende trotz einer äußerst kurios anmutenden Begebenheit nicht dem Chaos verfällt. „Tres cuentos de otoño,“ so der spanische Titel der Originalausgabe, ist ein Roman zum Schmunzeln und Genießen, der Lust macht auf das Leben, mit all seinen Freuden und Absurditäten.

Titelbild

Javier Fernández de Castro: In Erinnerung an einen vorzüglichen Wein.
Übersetzt aus dem Spanischen von Timo Berger.
Verlag Klaus Wagenbach, Berlin 2011.
120 Seiten, 14,90 EUR.
ISBN-13: 9783803112811

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