Zu dieser Ausgabe

Monatelang war das Land in Dunkelheit gehüllt. Wie kann man das aushalten? Psychisch durchzustehen ist das Leben in Deutschland lediglich, wenn man liest. Es müssen nicht einmal Romane sein. Was gibt es Schöneres, als sich an einem finsteren Samstagvormittag an der nächsten Straßenecke schnell fünf, sechs Tageszeitungen zu kaufen, um sich damit raschelnd ins Bett zurückzuziehen?

Danach ist es wenigstens im Kopf wieder heller: Nicht unbedingt deshalb, weil es nur kluge Dinge waren, die man gelesen hat. Das Anregende an der Lektüre ist ja gerade die Kommunikation mit den Gedanken anderer, die einem nicht unbedingt einleuchten müssen. Wer Zeitung liest, setzt sich mit verschiedenen Standpunkten auseinander, vollzieht Kritiken nach oder lehnt sie als unausgewogen ab. Manches kann man dabei ganz einfach dumm finden, anderes schlecht geschrieben. Man schüttelt den Kopf, man lacht über eine gelungene Darstellung oder empfindet sogar Schadenfreude, weil einem irgendein Verriss so gut gefallen hat.

Diese Form der Flucht ist leicht – wenn man lesen kann. Es ist heute sogar nicht einmal mehr notwendig, zum nächsten Kiosk zu laufen, um sich Zeitungen zu kaufen. Wem es lieber ist, online zu lesen, der kann im Internet Zeitschriften wie literaturkritik.de anklicken. Auch unsere Redaktion bemüht sich alltäglich, Ihnen einen lesbaren, intellektuellen Schutzraum gegen die öde Welt zu bieten.

Diesen Monat ist unser Thema zudem eines, welches nebenbei daran erinnert, dass es in den kommenden Monaten selbst draußen immer nur noch besser werden kann: Wenn die Leipziger Buchmesse naht, ist der Winter bald wirklich vorbei. Was nicht heißen soll, dass damit scharfsinnige Kritiken obsolet werden würden. Auch im März geht es bei uns selbstverständlich weiter kontrovers zu: Weil wir so viel Platz für unsere Texte zur Verfügung haben, wie wir möchten, können wir zum Beispiel umstrittene Bestseller wie Frank Schirrmachers ‚kapitalismuskritisches‘ Buch „Ego“ gleich zweimal besprechen lassen (siehe hier und dort).

Übrigens: Es fehlt nicht mehr viel, bis das frei zugängliche Archiv unserer Zeitschrift 20.000 Essays, Artikel und Rezensionen umfassen wird. Wer weiß – vielleicht hätten wir das ohne das notorisch schlechte Wetter in Marburg nie hingekriegt.

Einen schönen Frühling wünscht Ihnen
Ihr
Jan Süselbeck