Ein kompakter und brauchbarer Überblick, allerdings mit einigen Unschärfen

Bernd Stöver untersucht Geschichte und Kultur der USA

Von Klaus-Jürgen BremmRSS-Newsfeed neuer Artikel von Klaus-Jürgen Bremm

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Der Potsdamer Historiker Bernd Stöver, der bisher mit zwei Monografien zur Geschichte des Kalten Krieges in Erscheinung getreten ist, hat sich nun an eine Historiografie der Vereinigten Staaten gewagt. Herausgekommen ist ein voluminöses Konvolut, das von den ersten Besiedlungsversuchen an der amerikanischen Ostküste bis zur Liquidierung des Terroristenführers Osama bin Laden reicht. In einer geschickten Mischung aus systematischer und historiografischer Darstellung bietet Stöver Geschichte und Vorgeschichte der ältesten Demokratie der Welt: Politik, Kriegführung Ideologie, Wirtschaft, Literatur und Film. Mit wohlwollender Distanz greift der Verfasser all dies an geeigneter Stelle auf und liefert in konziser Zusammenfassung der dazu vorliegenden wissenschaftlichen Literatur die wesentlichen Informationen etwa über den religiösen Auserwähltheitswahn der Pilgrim Fathers, den jahrhundertelangen Genozid an den Indianern, die Sklaverei sowie den ungebremsten Kapitalismus des „Gilded Age“. Erwartungsgemäß ausführlicher fällt der Abschnitt über den Kalten Krieg aus, in dem Stöver noch einmal die These vom Sieg des Westens und der Vereinigten Staaten in Frage stellt.

Neue Einsichten oder gar eine zentrale These zur amerikanischen Geschichte bietet er jedoch nicht. Was nun eine mittlerweile 240 Jahre alte Demokratie, deren Bevölkerung und Grenzen sich beständig und oft in dramatischer Form verändert haben, nicht nur funktionieren, sondern sogar zur derzeit noch einzigen Weltmacht aufsteigen ließ, bleibt in Stövers Darstellung unklar. Seiner Geschichte der Vereinigten Staaten kann man anmerken, dass sie alles in beinahe gleicher Ausführlichkeit behandeln wollte, ohne die für eine zugespitzte Darstellung in Kauf zu nehmenden Lücken zu wagen. Ein roter Faden existiert somit nicht, sieht man von verschiedentlichen Bezugnahmen auf den immer noch erkennbaren tiefreligiösen Kern der amerikanischen Ideologie ab. Es überrascht dann auch nicht mehr, dass Stöver ganz auf einen resümierenden Rückblick verzichtet hat. Seine fast 700-seitige Darstellung bricht unvermittelt mit den wachsenden ökonomischen Problemen der Obama-Administration ab.

Der Leser kann immerhin die einzelnen Abschnitte des Bandes, die ohne besondere analytische Tiefe Aspekte und Phasen der amerikanischen Geschichte behandeln, wie die Aufsätze eines Lexikons lesen. Als Arbeitsbuch, das dankenswerterweise mit einer ausreichenden Zahl an gut gestalteten Karten, Tabellen und grafischen Darstellungen ausgestattet ist, hat das Buch fraglos seinen Wert. Der ließe sich allerdings noch steigern, wenn in einer eventuellen Neuauflage einige historiographische Unschärfen vermieden werden könnten.

So war es nicht General Grant, der in der Schlacht am Bull Run den ersten Sieg der Union über die Konföderierten errungen hatte – das gelang erst bei Shiloh etwa ein halbes Jahr später –, tatsächlich ging diese erste Schlacht des Bürgerkrieges verloren und nicht Grant, sondern General Irvin McDowell führte damals die Unionsarmee. Präsident Lincoln wiederum wurde nicht schon zwei Tage nach seiner Ermordung beerdigt, sondern erst drei Wochen später in seiner Heimatstadt Springfield. Der amerikanische Außenminister im Ersten Weltkrieg Lansing hieß mit Vornamen nicht James, wie es bei Stöver sogar noch einmal im Register heißt, sondern Robert. Der gebräuchliche Vorname des französischen Generals Petain war nicht Henri, sondern Philipp. Franz Halder wurde als Generalsstabschef des Heeres nicht im September 1941 entlassen, sondern erst ein Jahr später und das Massaker von Barbi Jar fand nicht 1943 statt, sondern schon im September 1941. Diese Liste an Errata hätte sich durchaus noch verlängern lassen, sollte aber gewiss in einer möglichen Neuauflage noch abgearbeitet werden können.

Titelbild

Bernd Stöver: United States of America. Geschichte und Kultur. Von der ersten Kolonie bis zu Gegenwart.
Verlag C.H.Beck, München 2012.
763 Seiten, 29,95 EUR.
ISBN-13: 9783406639678

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