Zwischen Anpassung und Verweigerung

Klaus G. Saur hat einen Band über Verlage im „Dritten Reich“ herausgebracht

Von Michael EschmannRSS-Newsfeed neuer Artikel von Michael Eschmann

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Ziemlich spät, eigentlich zu spät, hat die Buchwissenschaft mit der Erforschung des Verlagswesens zum ,Dritten Reich‘ begonnen. Warum dies erst vor 15 Jahren geschah, ist unklar. Reinhard Wittmann, Honorarprofessor für Geschichte des Buchwesens an der Universität München und einer der Autoren des vorliegenden Buches, schreibt hierzu: „Ein Zyniker würde konstatieren: man hat geduldig ausgeharrt, bis sämtliche Akteure und Zeitzeugen nicht mehr am Leben waren.“

Nun legt Klaus G. Saur als Herausgeber eine interessante Zusammenstellung von Aufsätzen vor, die Grundlage einer Tagung „Verlage im ‚Dritten Reich‘“ der Historischen Kommission des Börsenvereins in Leipzig vom 14. und 15. April 2011 waren. Dies hätte man deutlicher auch auf dem Einband beziehungsweise Titel durch einen zusätzlichen Untertitel kennzeichnen sollen. Nur so bliebe dem Leser ein etwaiges Missverständnis oder gar eine Enttäuschung erspart: Es handelt sich hier nicht um eine umfassende und vollständige Darstellung – im Sinne einer „Geschichte“ der Verlage im Nationalsozialismus – sondern vielmehr um eine (Auswahl-) Sammlung von 12 wissenschaftlichen Beiträgen (Vorträge) zum breiten Spektrum des Themas. Diese liegen nun in der Reihe „Zeitschrift für Bibliothekswesen und Bibliographie“ erstmals auch gedruckt vor.

Während der zwölfjährigen nationalsozialistischen Herrschaft emigrierten etwa 500.000 Personen aufgrund rassischer oder politischer Verfolgung aus Deutschland. Darunter 1.500 Antiquare, Buchhändler und Verleger. Schon unmittelbar nach der Machtübernahme wurden rund 100 Verlage verboten beziehungsweise geschlossen oder ,arisiert‘. Rasch folgte eine Schließung der jüdischen, theologischen oder auch Freimaurer-Verlage. Auffallend ist die Geschichte des „Widerstandsverlags“ in Berlin. Er wurde von Anna Niekisch, der Frau Ernst Niekischs, geleitet. Hier veröffentlichte Ernst Niekisch, der bizarre Theoretiker eines deutsch-nationalen Sozialismus („Konservative Revolution“), 1932 eine kleine Kampfschrift mit dem Titel „Hitler – ein deutsches Verhängnis“. Illustriert hatte sie A. Paul Weber. Darin abgebildet ist die bekannte Zeichnung „Das Verhängnis“. Geradezu prophetisch nimmt sie das Ende des Nationalsozialismus vorweg: Ein großer, offener Sarg, in den Menschenmassen mit Hakenkreuzfahnen strömen. Das Bild versteht sich als mahnende Allegorie auf die nationalsozialistische Revolution, die sich durch die Person Adolf Hitlers das eigene Grab schaufelt. Von 1926 bis zum Verbot 1934 veröffentlichte Niekisch ferner die Zeitschrift „Widerstand. Zeitschrift für eine nationalrevolutionäre Politik“. Erst 1937 erfolgte ein vollständiges Verbot des Verlags.

Dieses Beispiel zeigt, dass sich Entscheidungsprozesse bezüglich eines Publikationsverbotes durchaus auch schwerfällig entwickeln konnten. Schade, dass der vorliegende Band keinen eigenen Beitrag hierzu anbietet. Aber vielleicht ist er ein Ansporn für zukünftige Unternehmen, sich einmal diesem Thema zu widmen.

Einige Aufsätze des Buches, so der Aufsatz über den bürgerlich-deutschnationalen Schulbuchverleger Friedrich Oldenbourg, der vom nationalsozialistischen Sympathisanten zum Prügelknaben mutierte, fanden die ideale Schnittstelle zwischen wissenschaftlich fundiertem Aufsatz und packender Erzählung. Beeindruckend wird das verwirrende Machtgestrüpp eines irrationalen politischen Systems belegt. Innerhalb kurzer Zeit konnte sich auch für überzeugte Nationalsozialisten alles schlagartig ändern. So schreibt Reinhard Wittmann „In diesem polykratischen Dschungel von Intrigen und personellen Graben- und Hackordnungskämpfen konnte jedes Paktieren mit den falschen Instanzen verhängnisvoll sein – ohne solches Paktieren aber stand ein Überdauern des Unternehmens in Frage.“

Vielleicht ist dieses Buch der oft zitierte „kleine Stein“, der weitere Nachforschungen zum Thema nun erst ins Rollen bringen wird. Wünschenswert wäre auch eine selbstkritische Auseinandersetzung der zahlreichen Klein- und Mittelverlage mit der eigenen Familiengeschichte im Nationalsozialismus. Das könnte damit beginnen, dass private Firmenarchive ihre Unterlagen nun endlich der wissenschaftlichen Forschung zugänglich machen. Damit wäre, knapp 70 Jahre nach Kriegsende, ein klarer und auch emotionsloser Rückblick möglich.

Titelbild

Klaus G. Saur (Hg.): Verlage im "Dritten Reich".
Verlag Vittorio Klostermann, Frankfurt am Main 2013.
260 Seiten, 54,00 EUR.
ISBN-13: 9783465041757

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