Liebeskämpfe ungleicher Seelenzwillinge

Über Galsan Tschinags neuen Roman „Gold und Staub“

Von Anton Philipp KnittelRSS-Newsfeed neuer Artikel von Anton Philipp Knittel

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Galsan Tschinag, Häuptling und Schamane des turksprachigen Nomadenvolks der Tuwa, einer rund 4.000 Personen umfassenden Minderheit in der Mongolei, und mehrfach ausgezeichneter Autor von etwa drei Dutzend deutschsprachigen Romanen, Erzählungen und Gedichtbänden, erzählt in seinem neuen Roman „Gold und Staub“ erneut eine große Liebesgeschichte. Es ist, wie bei Tschinag, der 1995 einen Teil seiner in der Stalinzeit zwangsumgesiedelten Landsleute in einer großen Karawane in die angestammte Heimat in den hohen Altai geführt hat, fast immer eine Erzählung von der Liebe zur Natur und zu den Tieren, aber auch der Liebe zwischen den Geschlechtern.
War es zuletzt in „Das andere Dasein“ die „bemitleidens- wie auch bewundernswerte Liebe“ des burjatischen Dolmetschers Minganbajir zu einer jungen Ungarin und ihrer Mutter, so ist es hier der Liebeskampf der ungleichen Seelenzwillinge, des (autobiografischen) Ich-Erzählers zur jungen Kasachin Raja.
Mit einem Anruf tritt sie eines Tages unvermittelt ins Leben des Erzählers: „,Ich mache Ihnen ein Angebot. Seien Sie bitte am zweiten Maisonntag in Ihrer Altaiheimat. Dort werde ich Sie aufsuchen.‘“ Von Neugier und Eitelkeit, seinem „kleine[n], graue[n] Teufelchen“, geritten, geht der Erzähler darauf ein, hatte er doch sowieso schon vor, in den Altai zurückzukehren: „Denn lange genug habe ich tags daran gedacht und nachts davon geträumt, endlich wieder in meinem anderen, wichtigeren Zuhause anzukommen und dort mich einer anderen, wichtigeren Aufgabe meines befristeten irdischen Lebens zu stellen.“

Sein Ziel ist nämlich, die Versteppung des Altai aufzuhalten. Mit einem großen Wiederaufforstungsprojekt, wie es Tschinag tatsächlich über seine Stiftung ins Leben gerufen hat, soll der Bodenerosion Einhalt geboten werden: „Ich beschloss, den vielfach verwundeten, jammergrauen Steppenboden mit den Leibern unserer Vergangenen zu hegen und zu pflegen, zu begrünen und zu bewalden.“
Am Anfang soll die Begrünung des Friedhofs stehen, ein Projekt, das der Erzähler dem kurz zuvor verstorbenen Bruder noch skizziert hatte.

Ist dieses Unterfangen nicht nur bei den eigenen Leuten nicht so ohne weiteres durchzusetzen – unter anderem hat auch die Schamanin ein gewichtiges Wort mitzureden –, wird die Situation komplizierter mit dem Auftreten von Raja, der schönen Gold-Milliardärin, die in der Gegend ihre eigenen Ziele verfolgt. Die taffe Unternehmerin will den Goldadern des Berges Tewe Mojun mit schwerem Gerät zu Leibe rücken. Doch obwohl ihn Raja, deren Seelenpanzer in Gegenwart des Erzählers gesprengt wird, davor warnt, verlieben sich der alternde Ich-Erzähler und Raja. Am Ende kommt die Kasachin – wie die junge Ungarin in „Das andere Dasein“ durch einen Unfall – bei einer tatsächlichen Sprengung ums Leben.

Tschinags „Gold und Staub“ besticht weniger durch die Geschichte einer unglücklichen Liebe, weniger durch den Antagonismus zweier starker Charaktere, als vielmehr durch eine poetische Sprache, deren Klang und Bilderreichtum zu verzaubern und zu berühren weiß.

Titelbild

Galsan Tschinag: Gold und Staub. Roman.
Unionsverlag, Zürich 2012.
345 Seiten, 22,00 EUR.
ISBN-13: 9783293004467

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