Nie war Alltägliches unterhaltsamer
Der Geschichtenerzähler Joachim Meyerhoff verbindet das Tragische mit dem Grotesken
Von Katharina Tummes
Schon längst ist der Regisseur, Schauspieler und Autor kein unbeschriebenes Blatt mehr. Er wurde für seine schauspielerische Leistung prämiert und in zahlreichen Kritiken wird ein Lobgesang auf sein literarisches Schaffen angestimmt: Joachim Meyerhoff wurde 1967 im Saarland geboren. Aufgewachsen ist er allerdings in der norddeutschen Provinzstadt Schleswig, genauer auf dem Gelände der Kinder- und Jugendpsychiatrie Hesterberg als jüngster von drei Söhnen des Direktors jenes Landeskrankenhauses. Im Geiste der 1970er-Jahre antiautoritär erzogen, verwundert es nicht, dass auch sein Elternhaus, die Direktorenvilla, für jeden, die Patientinnen und Patienten eingeschlossen, frei zugänglich war. Was für Außenstehende sonderbar anmuten mag, bot dem Heranwachsenden eine sorgenfreie Jugend.
Zunächst dachte er nicht ernsthaft daran, Schauspieler zu werden und ging nach dem Abitur als Zivildienstleistender nach München, um Medizin zu studieren. Jedoch lag ihm, dem Urgroßenkel einer Tänzerin und Enkel der Schauspielerin Inge Birkmann, wohl die Kunst im Blut, sodass er sich an der Münchener Schauspielschule Otto-Falckenberg bewarb und sofort genommen wurde. Seit 2005 gehört er zum Ensemble des Wiener Burgtheaters, wo er auch Regie führt. Mit dem Nestroy-Preis wurde er im Jahre 2012 als bester Schauspieler in der Rolle des Erek in „Die Kommune“ ausgezeichnet.
Furore macht er mit einem eigenen Programm. Mit Anfang 40 wagte Meyerhoff zunächst noch nicht den großen Sprung zum Autor, sondern begann an dem Ort, den er selbst sein zu Hause nennt, der Bühne, von seinem Leben zu erzählen. Was als sechs lockerleichte Anekdotenabende am Theater begann, wuchs schon bald zu einem ganzen Programm, in dem er Aufgeschriebenes erzählte und während der Vorstellung Erzähltes hinzuschrieb, sodass am Ende ein Roman daraus entstand.
Für diesen Erstlingsroman „Alle Toten fliegen hoch – Amerika“, der 2011 erschienen ist, erhielt er den Franz-Tumler-Literaturpreis sowie den Förderpreis des Bremer Literaturpreises. 2013 erschien sein zweiter Roman „Alle Toten fliegen hoch. Wann wird es endlich wieder so, wie es nie war“. Nun also ist er beim Wettlesen in Klagenfurt. Sich dem Wettbewerb auszusetzen, ist für Joachim Meyerhoff, so im Interview mit „profil online“, eine Ehre. Da er selbst eine Trilogie versprochen hat, ist zu erwarten oder zu hoffen, dass er aus dem Folgeroman vortragen wird.
Die zwei ersten autobiografischen Romane machen so viel Lust auf mehr, denn Meyerhoff ist ein begnadeter Geschichtenerzähler. Er trifft in vielerlei Hinsicht den Nerv der Zeit. Die Art und Weise, wie sich das Erzähler-Ich selbstironisch als einen blondgelockten Jungen mit ständig wiederkehrenden Zornattacken beschreibt, lässt die Leserinnen und Leser von „Alle Toten fliegen hoch“ lachen. Doch bisweilen stellt sich die Frage, ob das nicht vielleicht theaterversessene Comedy ist.
Allerdings ist, was so pointensicher daherkommt, mitunter auch tiefsinnig. So stellen die zwei Romane unter anderem eine Auseinandersetzung mit dem Verlust von wichtigen Bezugspersonen dar, weil sowohl der mittlere Bruder Meyerhoffs bei einem Unfall als auch der Vater an einem Krebsleiden viel zu jung verstorben sind. Das Tragische verbindet sich mit dem Grotesken – eine Geschichte, die so wohl nur das Leben schreiben kann. Wundervoll, dass Joachim Meyerhoff sie für uns aufgeschrieben hat!
Dieser Text gehört zu einer Serie von Artikeln von Studierenden aus Duisburg-Essen zum Bachmannpreis 2013.