Drei Wege zum Bachmannpreis
Ein Projekt mit Studierenden der Uni Duisburg-Essen
Von Ursula Renner
Der literarisch-journalistische Volksmund nennt die offiziellen „Tage der deutschsprachigen Literatur“ hartnäckig „Bachmannpreis“, so getauft, weil die Familie Ingeborg Bachmanns der Stadt Klagenfurt ihren guten Namen nicht überlassen wollte. Es ist das Ereignis der deutschsprachigen literarischen Welt, um den Geburtstag der Namensgeberin und den Wört(h)ersee herum arrangiert, ein Fest, dem jetzt das Aus droht – aber davon später; noch sprechen wir nicht im Präteritum.
Anders als der Büchner-Preis in Darmstadt, der etablierte Gegenwartsautoren für ihr Werk auszeichnet, feiert Kärnten Entdeckungen. Prämiert wird ein noch unpublizierter Text eines Nachwuchsautors, und auch Frauen spielen inzwischen, nachdem in den Gründungsjahren 1977 bis 1982 zunächst keine dabei waren, deutlich eine Rolle – in 35 Jahren verzeichnet die Statistik 22 männliche und immerhin 13 weibliche PreisträgerInnen. (Sibylle Lewitscharoff übrigens war, bevor sie dieses Jahr den Darmstädter Lorbeer bekommt, 1998 Bachmannpreisträgerin, dann hat sie die ehrenvolle Eröffnungsrede in Klagenfurt halten dürfen – so etwa sieht Linearität im Literaturbetrieb aus.)
Zum-Bachmannpreis-Fahren meint zunächst und vor allem Antreten zum Wettlesen um den eigentlich wichtigsten deutschsprachigen Literaturpreis. Hat man ihn, sind, für eine Weile wenigstens, Ruhm und öffentliche Aufmerksamkeit sicher, das heißt der vielversprechende Eintritt in die Welt der Verlage. Mit etwas Glück, oder wenn die Jury sich nicht ganz vertut, was vorkommt, spielt der Gewinner dann in der Oberliga der Gegenwartsautoren. Und insofern produziert der „Bewerb“, wie man vor Ort sagt, Spannung.
Einen anderen Weg dorthin nehmen die Vertreter der Buchbranche – die Verleger, Lektoren und Mitarbeiter der Verlage – und die, altmodisch gesprochen, Reporter und Fotografen, die für ihre Zeitungen, Medien und online-Berichterstattung Futter aus erster Hand suchen.
Einen dritten Weg an den See schließlich nimmt seit 2005 eine Studierendengruppe von Duisburg-Essener Germanistik-Studenten. Nach einem Vorbereitungsseminar zur deutschsprachigen Gegenwartsliteratur verfolgen sie als akkreditierte BeobachterInnen das Geschehen am Wörthersee mit Diskussionen, Artikeln, Kommentaren. Ziel der Übung, freundlich subventioniert von der UDE, ist literarische Urteilsbildung. Ein durchaus holpriger Weg mit vielen Fußfallen, aber die Schuhe an und los ist allemal besser als zu Hause zu bleiben – auch wenn 3sat die Lesungen live ins Haus liefert. Es ist eben der Betrieb, das Drumherum, dieser körperliche Mehrwert: Aufbrechen und Dabeigewesensein, auch den Muskelkater noch genossen!
Nun aber wird ein schon in den letzten Jahren immer wieder weitergesagter Rumor laut: Das Ende des Rituals stünde bevor, der Bachmannpreis sei vom ORF, der ihn stemmt, nicht mehr finanzierbar. Bereits der Umstand, dass die organisierende Seele des Bewerbs, Michaela Monschein, 2012 ausgewechselt wurde, gehörte zu den Vorzeichen eines Endes, die nun Anfang Juni eine Lawine von Pressekommentaren ausgelöst haben.
Selbst auf die Gefahr hin, dass es unsere letzte Exkursion zu den „Tagen der deutschsprachigen Literatur“ gewesen sein könnte, und dass sich die Nachricht beim Wettlesen vor die Texte stellen und die Aufmerksamkeit von Juroren, Presse, Öffentlichkeit abziehen wird – wir werden Kurs halten. Um ihretwillen, der frischen Texte – seien sie mainstream oder eine Entdeckung –, und jener Kulturbetriebsamkeit, die jetzt nicht mehr finanzierbar erscheint, fahren wir hin. Die marathonlaufenden Muskelmänner des „Ironman“, die der Literatur bereits ihr symbolisches Datum, Ingeborg Bachmanns Geburtstag, abgelaufen haben, werden jedenfalls, soviel ist sicher, nicht in die Geschichte eingehen.
Dieser Text gehört zu einer Serie von Artikeln von Studierenden aus Duisburg-Essen zum Bachmannpreis 2013.
Ein Beitrag aus der Redaktion Gegenwartskulturen der Universität Duisburg-Essen