Das ist nicht das Ende vom Lied
Persönliche Eindrücke vom Bachmann-Wettbewerb in Klagenfurt
Von Lisa-Marie George
Es wird also nicht unsere letzte Exkursion zu den Tagen der deutschsprachigen Literatur gewesen sein! In Klagenfurt haben wir uns, wie viele andere auch, für den Erhalt des Bachmann-Wettbewerbs eingesetzt. An der Wand der Aktion „#bbleibt“, initiiert vom Verein Lendhauer rund um Kathrin Passig, notierten wir unsere Begründung: „Der Bachmann-Preis bleibt, denn… es ist der beste Sandkasten für Literatur, den es im deutschsprachigen Raum gibt. Das jedenfalls findet Ursula Renner-Henke, die jedes Jahr mit einer Gruppe von wunderbaren Germanistik-Studierenden an den Wörthersee kommt – und diese Exkursion zum Sandkasten mit Förmchen und Schäufelchen unterstützt.“
Inmitten dieses riesigen „Sandkastens“, am schönen Wörthersee gelegen, haben wir sechs spannende Tage voller Kultur, Lesungen und Diskussionen erlebt. Bereits nach unserer Anreise am Dienstag, den 2. Juli, ging es abends zu einer Lesung der Autorin Marlen Schachinger, die aus ihrem Buch „Denn ihre Werke folgen ihnen nach“ vortrug. Anschließend wurde über die Rolle des Lektors und sein Verhältnis zum Autor diskutiert.
Am Mittwoch traf man sich im Musil-Haus, um den Ergebnissen des 17. Klagenfurter Literaturkurses zu lauschen. Dabei war auch die Marburger Medizinstudentin Elisa Marie Wächtershäuser, die ihren Text „Jaro“ vortrug. Am Abend startete dann das eigentliche Programm des Bachmann-Wettbewerbs. Zur feierlichen Eröffnung traf man sich im ORF-Theater. Die 14. Klagenfurter Rede zur Literatur hielt der ehemalige Marburger Student und freie Schriftsteller Michael Köhlmeier. Gespannt erwarteten Publikum und Autoren im Anschluss die Auslosung der Reihenfolge der Lesungen. So starteten am Donnerstag um 10.15 Uhr die Lesungen der 14 teilnehmenden Autoren und Autorinnen, die sich am Freitag und Samstag fortsetzten. Donnerstagabend dann ein weiterer Höhepunkt: Der Bürgermeister der Stadt Klagenfurt, Christian Scheider, empfing die zahlreichen Teilnehmer und Besucher des Ingeborg-Bachmann-Wettbewerbs auf Schloss Maria Loretto am Wörthersee. Bei einem üppigen Buffet kamen die Eingeladenen untereinander ins Gespräch und tauschten sich über den ersten Lesungstag aus. Am Freitagabend ehrte Kathrin Passig am Lendhafen Michaela Monschein, die ehemalige Organisatorin des Preises, welche 2012 durch Horst L. Ebner abgelöst wurde. Viele weitere Veranstaltungen gehörten zum Rahmenprogramm der TDDL (Tage der deutschsprachigen Literatur), doch alles konnten wir nicht mitnehmen.
Am Sonntag fieberten wir abschließend alle gespannt der Preisverleihung entgegen. Zunächst verkündete Dr. Alexander Wrabetz, Generaldirektor des ORF: „Der Bachmann-Preis bleibt in Klagenfurt, 3sat und im Internet.“ Viele Worte verlor er nicht. Bekannt ist jedoch, dass zwei neue Sponsoren das Großereignis in Zukunft finanziell unterstützen und dass das gestalterische Konzept des Wettbewerbs verändert werden soll. Im Anschluss ging es in die Abstimmungen für die Preisvergabe. Mit einer eindeutigen Mehrheit von vier Stimmen gewann Katja Petrowskaja den Ingeborg-Bachmann-Preis 2013. Hildegard Keller, die die Autorin eingeladen hatte, lobte in ihrer Laudatio auf Petrowskajas Geschichte „Vielleicht Esther“ eine Leichtigkeit des Erzählens, die scheinbar so nur in der russischen Literatur anzutreffen sei und sich nun auch im deutschsprachigen Raum beheimate. Der Kelag-Preis 2013 ging nach einer Stichwahl an Verena Güntner und ihre „Parabel aufs Erwachsenwerden, ein Kammerspiel des Coming of Age“ (Paul Jandl). Ebenfalls nach einer Stichwahl erhielt der Autor Benjamin Maack den 3sat-Preis 2013. Hubert Winkels bewertete Maacks Arbeiten als „Kurzgeschichten im klassischen Sinn des Genres“. Den letzten von der Jury vergebenen Preis, den Ernst-Willner-Preis 2013, erhielt Heinz Helle. Daniela Strigl sah in Helles Text eine „Chronik der Halbherzigkeit“, die durch „Genauigkeit und Humor“ überzeuge. Seinen Abschluss fand die Veranstaltung in der Vergabe des Publikumspreises 2013. Völlig überraschend entschieden sich die Zuschauer per Internetvoting für die Österreicherin Nadine Kegele, die mit einem Schulterzucken und breitem Lächeln den Preis und das Stadtschreiberstipendium annahm.
Insgesamt fanden wir unsere heimlichen Favoriten unter den Preisträgern wieder. Vor allem Petrowskaja und Maack galten in unserem Seminar nicht erst seit ihren Lesungen als absolute SpitzenkandidatInnen. Einzige Überraschung blieb Nadine Kegele. Doch auch solche unerwarteten Ergebnisse muss es bei den TDDL geben. Besonders der persönliche Kontakt zu den Autoren und Stipendiaten des Literaturkurses, viele Interviews und unsere Berichterstattung haben uns zu einem Teil der großen Bachmann-Familie werden lassen. In den nächsten Tagen werden weitere Interviews mit den Autoren an dieser Stelle erscheinen.
Unsere ganz persönlichen Eindrücke
„Die 37. Tage der deutschsprachigen Literatur liegen hinter uns und wir sitzen im Flugzeug auf dem Weg zurück nach Deutschland. Im Gepäck eine Fülle von Impressionen aus der Welt der Literatur, die erst einmal verarbeitet werden müssen. In Gedanken ziehen die Bilder vorüber: nervöse Autoren, diskutierende Juroren, das dichtgedrängte Publikum im ORF-Theater und die Erleichterung in den Gesichtern aller, als verkündet wird, dass der Bachmann-Preis bleibt. Die letzten Tage waren zugleich spannend und anstrengend, unterm Strich aber auf jeden Fall die Reise wert.“ (Sabrina Jaehn)
„Hinter mir liegen spannende Lesetage mit interessanten Diskussionen, die trotz persönlicher Unstimmigkeiten unter den Juroren meist konstruktiv und bereichernd ausfielen. Zudem habe ich viele neue Autoren für mich entdecken können, denen ich auf ihrem zukünftigen schriftstellerischen Weg folgen werde.“ (Marina Scheider)
„Das Schreiben war, ist und bleibt das Wesen der Literatur. Das hat der Bachmann-Preis einmal mehr bewiesen.“ (Sarah Gharib)
„Was nehme ich neben einem großen Stapel Texte und Notizen aus Klagenfurt mit? Die Erfahrung, dass 14 Lesungen inklusive Jury-Diskussion die Grenzen der (literarischen) Aufnahmefähigkeit austesten, es unglaublich spannend ist, Autoren und andere Mitglieder des Literaturbetriebs einmal so nah beobachten zu können, die Zeit deshalb viel zu schnell vorbei geht und die Veranstaltung eigentlich erst der Anfang ist. Die Tage der deutschen Literatur sind vorbei, aber ich bin jetzt gespannt, wie der weitere Weg der Autoren, vor allem der Preisträger, aussehen wird.“ (Hannah Fischer)
„Nach einer Woche Herumwirbeln in der Bachmann-Preis-Zentrifuge hat sich einiges an Erkenntnissen herausgelöst: 1. Die Plätze 2 und 3 heißen Kelag-Preis und 3sat-Preis. 2. Eine Juryentscheidung ist nicht in Stein gemeißelt. 3. Literatur zu definieren ist sehr subjektiv, auch für Kenner, ihre Qualität zu bewerten umso mehr. 4. Ich freue mich auf Bücher, in denen sich – frei nach Burkhard Spinnen – die deutsche Sprache öffnet. 5. Klagenfurt fetzt.“ (Kristina Petzold)
„Der Bachmann-Preis bleibt, denn er inspiriert, inspiriert, inspiriert!“ (Katharina Tummes)
„Es war ein tolles Erlebnis, dem Literaturbetrieb und seinen diversen Gestalten so nahe zu kommen. Ich weiß jetzt (wieder einmal), warum ich studiere, was ich studiere. Eine absolute Inspiration, gepaart mit Wörthersee-Urlaubsfeeling. Meine Bachmann-Eindrücke in Kürze: viele nette und vor allem interessante Gespräche geführt; gute Vorbereitung zahlt sich aus; tolle Diskussionen über die Texte – sowohl im Studio, als auch nach der Aufzeichnung; unerwartet lockere Atmosphäre; große Blumensträuße, die leider nicht ins Flugzeug passen; mindestens einen neuen Lieblingsautor gefunden.“ (Katharina Graef)
„Unsere Exkursionsgruppe wurde während der sechs Tage durch den direkten Kontakt mit Autoren, Journalisten und Juroren selbst Teil des Literaturbetriebs im Mikrokosmos Klagenfurt. Dazu gehörte auch, dass wir das Verfahren zur Preisvergabe mitverfolgen konnten und es wurde deutlich, dass zwischen dem persönlichen Geschmack und dem Urteil der Jury oft Welten liegen. Ein gutes Beispiel dafür ist der Publikumspreis, der in diesem Jahr an Nadine Kegele vergeben wurde. Dabei hat es die Vorarlbergerin nicht mal auf die Shortlist der Jury geschafft.“ (Katharina Kirchner)
„Eine produktive, lehrreiche, unterhaltsame, textintensive, Sitzfleisch fordernde Woche, die den Literaturbetrieb ein wenig ‚entzaubert‘ hat, da sie mir gezeigt hat, dass auch Literaturkritiker, Lektoren und Autoren nur Menschen sind, die versuchen, intelligente Dinge zu äußern, sich betrinken, im See baden und sich wie Verhungernde auf das Buffet stürzen.“ (Esther Kalb)
„Durch die intensive Beobachtung der Jury ist mir wieder einmal klar geworden, wie schwierig es ist, halbwegs objektiv über Literatur zu reden.“ (Stephanie Wolke)
„Eine wahnsinnig tolle und spannende Atmosphäre herrschte in Klagenfurt, wo wahrscheinlich nicht nur ich einen neuen potentiellen Lieblingsautor gehört habe.“ (Thomas Höller)
„#bbleibt! Was für eine literarische Woche liegt hinter uns! Drei Tage Wettlesen in Klagenfurt. Wir haben diskutiert, gelesen und jede Menge aufs Papier gebracht.
Und was bleibt sonst noch? Zwischen gestrandeten Sprachvirtuosen in Turnschuhen und Hawaiihemd spielen wir Stadt-Land-Fluss in der Warteschlange des Literaturbetriebs.“ (Katrin Ziegast)
„‚Am Ende gilt doch nur, was wir getan und gelebt – und nicht was wir ersehnt haben.‘ Ich würde unsere Woche in Klagenfurt mit diesen Worten von Artur Schnitzler zusammenfassen. Beim privaten Abendessen mit der Autorin Katja Petrowskaja zu erleben, dass sie nur eine ganz normale Frau mit ganz normalen Sorgen ist, war für mich der Höhepunkt der diesjährigen Tage der deutschsprachigen Literatur. Ich möchte allen empfehlen, ihr sehr berührendes und sprachlich beeindruckendes Buch im nächsten Frühjahr den Händlern direkt aus den Händen zu reißen! Nicht umsonst kürte sie die Jury zur Bachmann-Preisträgerin 2013. Im überfüllten ORF-Theater war ich aber auch ein ums andere Mal nicht mit der Kritik der Jury einverstanden, aber so ist das in einer literarischen Welt, die jeder auf seine Weise für sich einrichtet. Unsere ganze Gruppe war jeden Tag mit Herz dabei. Danke.“ (Lisa-Marie George)
„Ans Ende einer animierenden Exkursionswoche, der Begegnung mit dem Literaturbetrieb in Klagenfurt mit seinem quirligen Durcheinander und den gleichzeitig geregelten (Medien-)Abläufen, sei der so einfache wie gültige Satz von Brigitte Kronauer gestellt: ‚Aber nicht einmal das aufgekratzteste Event ersetzt die antiquiert einsame Prozedur des Lesens.‘ (Züricher Poetik-Vorlesung 2012)“ (Ursula Renner)
Dieser Text gehört zu einer Serie von Artikeln von Studierenden aus Duisburg-Essen zum Bachmannpreis 2013.