Dr. Jekyll and Mr. Moers

Über eine Neuausgabe von Walter Moers' Jesus-Comics

Von Jasmin M. HlatkyRSS-Newsfeed neuer Artikel von Jasmin M. Hlatky

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Die einzigen bekannten Aufnahmen des Schriftstellers stammen aus dem Jahr 1994. Das heißt: vermutlich bilden die Aufnahmen den Künstler Walter Moers ab. So genau weiß das keiner. Moers tritt nicht öffentlich auf, gibt keine Fotos von sich heraus und verrät seinem Publikum nur das Nötigste über sich. Als zuletzt der NDR 2011 versuchte, dem Mysterium des Autors auf den Grund zu gehen, durfte die Redaktion ein paar launige Emails mit dem Meister austauschen – mehr war nicht drin.

Zwei Jahre nach Moers’ letztem umfangreichen Zamonien-Roman bringt nun Random House unter dem Titel „Jesus total – Die wahre Geschichte“ die beiden bereits 1992 und 1995 erschienenen Comics „Es ist ein Arschloch, Maria“ und „Du bist ein Arschloch, mein Sohn“ als Sammelband heraus. Niedlicherweise wurde das Wort „Arschloch“ überall durch drei Pünktchen ersetzt, der Titel des Bandes von 1995 fehlzitiert, und außerdem prangt auf der Innenklappe eine bedingt wohlwollende Rezension des Evangelischen Medienbüros. Walter Moers und sein „Kleines Arschloch“ sind damit symbolhaft im Mainstream angekommen.

Signifikant Neues oder Provozierendes kann man demzufolge der Wiederauflage auch nicht nachsagen. Die Comics sind an den Neunzigern bemessen ausreichend blasphemisch, versaut und durchaus witzig – und sei es auch nur, weil sie auszusprechen wagen, was wohl jeder kirchenkritische Mensch schon einmal erwogen hat. Wirklich interessant ist an dieser Ausgabe im Grunde lediglich, dass es sie gibt und dass sie sich verkauft, wie alles, auf dem der Name Walter Moers steht. Nicht etwa, weil er schlechte Bücher produzieren würde – im Gegenteil –, sondern weil er es geschafft hat, ein völlig zwiegespaltenes Œuvre zu veröffentlichen und sich gleichzeitig komplett dem Markt zu verweigern. Derselbe Mensch nämlich, der platten Fäkalhumor à la „Kleines Arschloch“ liefert, hat auch die faszinierende Welt Zamoniens entworfen. Auf der einen Seite stehen die frechen Zeichnungen und auf der anderen Seite intelligente Intertextualität, hier „Adolf“ und dort die Hymne auf die Bibliophilie in der „Stadt der träumenden Bücher“. Der ohnehin bereits nicht präsente Autor wird mit dieser Art von werkimmanenter Schizophrenie nur noch schwerer fassbar.

Weshalb Moers so vehement nicht mitmacht im Literaturzirkus, wird an der feinen, humorigen Parodie auf den Literaturbetrieb deutlich, die er dem Leser in der „Stadt der träumenden Bücher“ präsentiert: Wo die Verleger als heimtückische Hundlinge abgebildet werden, erstaunt es nicht, dass der begabte Lindwurm lieber anonym bleiben möchte.

In einer Medienlandschaft, in der sich die meisten Schriftsteller durch radikale Selbstvermarktung zu platzieren suchen, hat ein absenter Verfasser Seltenheitswert. Natürlich macht das Geheimnis um die Person denjenigen auch interessanter, aber auch diese Attraktivität funktioniert nur bedingt und zeitlich begrenzt. Moers bleibt ein Phantom und überzeugt einfach durch sein Werk, das inzwischen neben 28 Comics auch acht Romane umfasst. Dem Publikum bleibt nichts anderes übrig, als einfach auf Neuigkeiten aus Zamonien zu warten und sich auf den wirklich wichtigen Gegenstand der Literatur zu konzentrieren – das Buch.

Titelbild

Walter Moers: Jesus total. Die wahre Geschichte.
Knaus Verlag, München 2013.
84 Seiten, 14,99 EUR.
ISBN-13: 9783813505313

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