Die erste ihrer Art?

Anja Rebhann analysiert „Außen- und Innenräume“ dreier zeitgenössischer deutschsprachiger Science-Fiction-Romane

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Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Von Rolf Löchel

Es gibt wissenschaftliche Unternehmungen, die verlangen den Forschenden mehr Mut ab, als ein Mensch gemeinhin aufzubringen vermag. Giordano Bruno könnte davon berichten, oder Galileo Galilei. Seit sie ihr Leben für die Wissenschaft in die Waagschale warfen oder auch davor zurückschreckten, sind allerdings einige Jahrhunderte verstrichen. Heute gilt es schon als „besonderes Wagnis“, für eine literaturwissenschaftliche Dissertation „ausnahmslos deutschsprachige Science-Fiction-Texte“ heranzuziehen. Anja Rebhann ist zumindest dieser Auffassung, und sie schreckt vor der „Herausforderung“ auch nicht zurück, möchte sie doch zeigen, „dass es in Deutschland durchaus Autoren gibt, die sich kreativ mit zukünftigen Weltmodellen auseinandersetzen“. Sicher hat Rebhann mit dem Thema ihrer Arbeit nicht ihr Leben aufs Spiel gesetzt, vermutlich nicht einmal ihre wissenschaftliche Karriere, wie beispielsweise feministische Linguistinnen noch in den 1970er-Jahren mit ihren Habilitationsthemen oder derzeit feministische Theologinnen durch ihre Mitarbeit an der „Bibel in gerechter Sprache“.

Es seien bislang nur „wenige literaturwissenschaftliche Analysen vorhanden, die sich konkret mit deutschsprachigen Werken des Genres befassen“, konstatiert Rebhann und fügt hinzu, „Abhandlungen, die in diesem Bereich über Aufsätze in Sammelbänden oder Zeitschriften hinausgehen, fehlen völlig“. Das trifft mitnichten zu. Zwei oder drei Bücher nennt Rebhann selbst, wie etwa Ulrike Gottwalds 1990 veröffentlichte Dissertation „Science Fiktion (SF) als Literatur in der Bundesrepublik der siebziger und achtziger Jahre“, in der sie „Texte von sechs bundesdeutschen Autoren“ untersucht. Andere, neuere selbstständige Publikation zur deutschsprachigen SF scheint Rebhann hingegen nicht zu kennen oder zur Zeit der Abfassung ihrer Arbeit noch nicht gekannt zu haben. So ist Rebhanns Untersuchung deutschsprachiger Science Fiction-Texte zumindest in dieser Hinsicht keineswegs die erste ihrer Art.

Tatsächlich neu allerdings ist, dass sich Rebhanns „Romananalysen“ auf die „narratologischen Kategorien ‚Raum‘ und ‚Figurenperspektive‘ konzentrieren“. Zudem zieht die Autorin „außerliterarische Aspekte“ heran, um „auszuloten“, welches „Beziehungsgeflecht“ sich zwischen diesen und der untersuchten Beispiele deutschsprachiger SF-Literatur herausarbeiten lässt und „inwiefern dieses Aufschluss über unsere Zukunft, aber vor allem unsere Gegenwart geben kann“.

Rebhanns Quellenkorpus besteht im Wesentlichen aus drei im ersten Jahrzehnt des neuen Jahrhunderts erschienenen Romanen des Genres: Myra Çakans „Downtown Blues“ aus dem Jahr 2001, Andreas Eschbachs zwei Jahre später erschienenes Werk „Der letzte seiner Art“ und Wolfgang Jeschkes wiederum zwei Jahre später publiziertes Buch „Das Cusanus Spiel“. Die Autorin unterzieht die sie interessierenden Aspekte der drei Romane einer recht ausführlichen Analyse. Eine Reihe weiterer deutschsprachiger SF-Werke der jüngsten Vergangenheit wird zumindest erwähnt oder kurz angesprochen, wie etwa Frank Schätzings Verkaufsschlager „Der Schwarm“. Ihr „Erkenntnisziel“, „durch einen aktuellen und interdisziplinären Blick auf fiktionale und realistische Zukunftsentwürfe einen Aufschluss über den Status Quo der Gegenwart“ zu erlangen, erreicht Rebhann nach rund 200 Seiten, ohne je auch nur Gefahr laufen zu müssen, außer Atem zu geraten.

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Anja Rebhann: Von Außen- und Innenräumen. Eine Analyse zeitgenössischer deutschsprachiger Science-Fiction-Literatur.
Aisthesis Verlag, Bielefeld 2013.
222 Seiten, 29,80 EUR.
ISBN-13: 9783895289743

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