Brautpreise, Imbissväter und Straßenkinder

Zwei wissenschaftliche Arbeiten über und ein Reisebericht aus Kamerun

Von Rolf LöchelRSS-Newsfeed neuer Artikel von Rolf Löchel

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

„Kamerun ist ein Land, über das man, abgesehen von Berichten über die Kamerunische Fußballnationalmannschaft, welche zu den international erfolgreichsten des afrikanischen Kontinents gehört, in den europäischen Medien kaum etwas hört“, konstatiert Felix Huth. Seine Feststellung trifft auch auf das Medium Buch zu. Zu den wenigen, die dieses Schweigen in den letzten Jahren durchbrachen, zählt seine 2011 erschienene Untersuchung über „Straßenkinder in Duala“, der einwohnerreichsten Stadt des an der Ostküste des Kontinents gelegenen zentralafrikanischen Landes. Ihr ist das Zitat entnommen.

Auch die „lebensfrohe Weltenbummlerin“ Martine Rammer ist eine der Wenigen, die hierzulande in den letzten Jahren ein Buch über das „bemerkenswerte Land“ auf den Markt gebracht haben: einen Reisebericht. Da ihr „keine Reise zu beschwerlich und kein Weg zu weit“ ist, ist sie nicht einfach direkt nach Douala geflogen, der Stadt mit dem größten internationalen Flughafen Kameruns, sondern nur bis nach N’Djamena, die Hauptstadt des nördlich gelegenen Tschad. Mit einem Auto hat sie die Grenze nach Kamerun überquert, um das Land einmal von Nord nach Süd zu durchreisen. Davon berichtet sie in ihrem reich bebilderten Buch „30 Kühe“, indem sie von persönlichen Erlebnissen und Begegnungen in den ländlichen Gebieten des Staates erzählt und das Ganze mit geografischem und völkerkundlichem Lexikonwissen sowie einer Reihe von Informationen anreichert, die sie ausweislich der ebenso mageren wie vagen „Quellennachweise“ dem namhaften Kamerun-Reiseführer von Regina Fuchs entnommenen hat, deren Namen sie allerdings unerwähnt lässt.

Die Metropolen des Landes und ihre Kultur scheinen Rammer nur wenig interessiert zu haben. So bietet sie den Lesenden anlässlich ihres Aufenthaltes in Yaoundé, der Hauptstadt Kameruns, nur einige dürre Statistiken und allgemeine Informationen. In Douala, der letzten Station ihrer Reise, hat sie sich aus Angst vor „Straßenräubern“ nicht aus dem Hotel gewagt und lieber „die Badewanne getestet“, bevor sie sich in den Flieger setzte und die Heimreise nach Deutschland antrat.

„Am meisten“, so versichert sie, werde sie „die Menschen vermissen. Ihre Unverfälschtheit, ihre Aufgeschlossenheit, die Toleranz, den Humor und nicht zuletzt ihre Liebe zu ihren Traditionen und ihrer Kultur“. Diese Menschen erstarren in Rammers Beschreibungen allerdings nicht selten zu kitschigen Klischees, die etwa besagen, dass sie „noch unverfälscht und ursprünglich leben“. Auch versichert die Autorin, trotz der Armut sei „die Lebensfreude der Menschen ungebrochen“, und aus den Gesichtern der Kinder blickten ihr selbstverständlich „große schwarze Kulleraugen“ entgegen. Derlei nimmt sich gegenüber stärker rassistischen Anklängen des Buches fast noch harmlos aus. So schließt die Autorin aufgrund je einer negativen Erfahrung mit einem Piloten und einem Chauffeur kurzerhand, „dass der Afrikaner wohl nicht sehr vorausschauend ist“. Die Moderne hat in dem Land nicht nur mit Flug- und Kraftfahrzeugen Einzug gehalten, sondern etwa auch in Form der „Plastiktüte“. Doch leider „wissen“ die Menschen dort „nicht so ganz mit ihr umzugehen“.

Wiederholt und relativ ausführlich äußert sich Rammer zu den Geschlechterverhältnissen des Landes. „Hier in Kamerun scheint“ ihr „eine völlig andere Rollenverteilung zwischen Mann und Frau zu herrschen“. Denn „Frauen schleppen Holz und Männer gehen zur Maniküre. Da lob ich mir doch Deutschland“, merkt sie neckisch an.

Auch zögert sie nicht, ein gutes Wort für die in weiten Teilen des Landes übliche Vielweiberei einzulegen, zu deren Verteidigung sie erklärt: „Die Tradition der Polygamie ist sehr lang und hat auch seine [sic] Gründe. Wenn die Frau schwanger war, musste eine andere ihre Aufgaben übernehmen: Bier brauen, kochen, zum Markt gehen und Feldarbeit konnten nicht so lange ausgesetzt werden.“

Sie selbst hat das Angebot, zur Zweit- oder Drittfrau genommen zu werden, allerdings ausgeschlagen. „Einer der Männer bot dreißig Kühe, wenn ich ihn heirate und wollte mir auch gleich meine neue Hütte zeigen. Zum Glück konnte ich ihn überzeugen, dass ich ihm keine gute Ehefrau wäre.“ Dabei war es ein überaus großzügiges Angebot. Denn „der reguläre Brautpreis in Kamerun liegt im Allgemeinen bei zehn Kühen“. Das sei keineswegs eine „Verkaufsprämie“, fantasiert sie, sondern spiegele die „Wertschätzung“ wider, die der Bräutigam für die Braut aufbringe. Dabei sprechen ihre eigenen Schilderungen über Holz tragende, Bier brauende, kochende, Feldarbeit verrichtende Ehefrauen doch laut und deutlich eine andere Sprache. Darüber hinaus lässt sich leicht denken, mit welchen Schwierigkeiten es für eine Frau verbunden ist, sich von einem Mann zu trennen, der für sie einen Brautpreis an ihren Vater entrichtet hat, oder gegen von ihr nicht erwünschten Geschlechtsverkehr Einspruch zu erheben?

Weit ernsthafter als Rammer setzt sich die Anthropologin Annett Fleischer mit den Geschlechterverhältnissen in Kamerun auseinander. Das erstaunt insofern nicht, als es sich bei ihrer Publikation nicht um den amateurhaften Reisebericht einer exotikbegeisterten Globetrotterin handelt, sondern um die professionelle Untersuchung einer Wissenschaftlerin. Zwar ist auch diese Publikation in Deutschland erschienen, doch hat die Autorin sich dazu entschlossen, sie in englischer Sprache zu verfassen – vermutlich, um die internationale Wissenschafts-Community besser zu erreichen. Dabei stehen nicht so sehr die partnerschaftlichen Beziehungen zwischen Kamerunern und Kamerunerinnen im Zentrum ihrer Arbeit mit dem Titel „Migration, marriage, and the law“, sondern die von kamerunischen Migranten und Migrantinnen eingesetzten Heirats- und Gebärstrategien, mit deren Hilfe sie eine Aufenthaltserlaubnis in Deutschland zu erhalten hoffen.

Zu Beginn ihrer Untersuchung erzählt Fleischer exemplarisch die Geschichte von Simon, eines Kameruners, der mit seiner Familie beschließt, dass er nach Deutschland gehen wird, um möglichst viel Geld zu verdienen und seine zurückgebliebenen Angehörigen finanziell zu unterstützen. Für die Vorstellung, in Deutschland ließe sich einfach und schnell wohlhabend werden, sind Fleischers sicher zutreffender Darstellung zufolge im Übrigen die Medien in Kamerun verantwortlich. Denn sie machen die Menschen dort der Autorin zufolge glauben, das Leben in Europa sei „a true fairy tale“ und die EuropäerInnen lebten im „paradise“.

Ins Land seiner Träume reist Simon mit einem Touristenvisum ein, das nach drei Monaten abläuft. Daraufhin stellt er einen Asylantrag, der zu seiner Überraschung gewährt wird. Doch darf er als Asylbewerber nicht arbeiten. Also entschließt er sich, eine Deutsche zu heiraten. Nach der Hochzeit stellt ihn sein deutscher Schwiegervater ein. Mit der Zeit entsteht in der Ehe das, was er Trouble nennt. Fürs erste will er sich allerdings noch nicht scheiden lassen, um nicht ausgewiesen zu werden. Denn nur wenn er drei Ehejahre durchhält, darf er auch nach einer Scheidung in Deutschland bleiben. Darauf kommt es ihm an, auch wenn er jetzt schon weiß, dass er nicht für immer bleiben möchte. Vielmehr will er nach Kamerun zurückkehren, wenn er genug Geld hat, dort ein „kleines Geschäft“ zu eröffnen. Dann wird er eine Kamerunerin heiraten und Kinder zeugen.

Fleischer zufolge ist Simons Geschichte für kamerunische Männer, die nach Deutschland gehen, „extremly quite common“. Darum erhelle sie eine Reihe zentraler Aspekte ihrer Studie. Das trifft tatsächlich zu. Nicht völlig zutreffend ist hingegen, dass ihre Studie untersucht, „how increasingly restrictive immigration and integration policies in Germany force Cameroonian migrants to develop family-related practices for acquiring legal residence and obtaining an essential work permit“. Dass dem so ist, wird vielmehr als gegeben vorausgesetzt. Fleischer untersucht tatsächlich vor allem die Einwanderungsstrategien von KamerunerInnen; so gut wie gar nicht hingegen, die Art und Weise, wie die deutschen Behörden sie zu ebendiesen zwingen, wie es in dem Zitat heißt. Dass sie dies überhaupt tun, lässt sich jedoch allenfalls dann behaupten, wenn man unterstellt, dass es für KamerunerInnen oder auch nur für diejenigen, die als Wirtschaftsflüchtlinge den Weg nach Deutschland suchen, unumgänglich und alternativlose wäre, aus finanziellen Gründen einige Jahre ihres Lebens in Deutschland zu verbringen. Nur dann ließe sich davon reden, dass die deutschen Behörden sie zu bestimmten Strategien zwingen, um dieses Ziel zu erreichen. Nun ist die Einwanderung nach Deutschland für KamerunerInnen allerdings keineswegs eine unabweisbare Notwendigkeit, sondern eine aus ökonomischem Kalkül getroffene Entscheidung, zu der die EinwanderInnen gemeinsam mit ihren Familien und gelegentlich auch ihren Stämmen gelangen, wie die Autorin selbst ausführlich darlegt. Denn sie alle versprechen sich von der Einwanderung eines der ihren einen höheren Lebensstandard. Die MigrantInnen selbst wollen schnell viel Geld verdienen und ihre Familien und Sippen erwarten, Konsumartikel und Unterstützungszahlungen geschickt zu bekommen. Das alles sind selbstverständlich legitime Anliegen. Möglicherweise lässt sich sogar verstehen, wieso sie so handeln. Nur gezwungen werden sie nicht dazu und also erst recht nicht zu einer bestimmten Art und Weise, dies zu realisieren.

So drückt sich die Autorin an anderer Stelle denn auch zurückhaltender aus und spricht nur noch davon, dass die „German immigration and integration policies affect practices of migrants“, und zwar „notably the impact on migrants’ marital und reproductive behaviors“. Dass die deutsche Gesetzgebung die Strategie der kamerunischen Migranten beeinflusst, mit der sie ihre Absicht in Deutschland einige Jahre Geld zu verdienen, realisieren wollen, ist sicher unbestritten. Die Entscheidung selbst aber wird von Fleischer nicht hinterfragt.

Unabhängig davon hat die Autorin eine gründliche Recherchearbeit geleistet, die manches erhellende Licht auf die Immigrationsstrategien der Einwandernden wirft. Insbesondere führte sie zahlreiche Interviews. Alle ihre GesprächspartnerInnen aus Kamerun haben zumindest vorübergehend in Douala oder Yaoundé, den beiden größten Städten Kameruns, gelebt. Die meisten von ihnen haben einen High School-Abschluss und viele haben einige Semester studiert. Der ganz überwiegende Teil der MigrantInnen aus Kamerun ist männlichen Geschlechts. Dem entspricht die geschlechtsspezifische Verteilung der von der Autorin Befragten.

Nicht nur ledige Kameruner, auch Ehemänner reisen in der Absicht nach Deutschland, um dort eine Einheimische zu heiraten, um so das Aufenthaltsrecht zu erlangen. Verheiratete kamerunische Männer bekommen in diesem Fall der Autorin zufolge keineswegs Probleme mit ihren Familien und Sippen. Im Gegenteil, oft wird es sogar gerne gesehen, wenn die Männer in Kamerun bereits verheiratet sind, bevor sie in Deutschland noch einmal heiraten. Denn dann kommen sie umso sicherer zurück. Tatsächlich werden Braut und Bräutigam bei der standesamtlichen Eheschließung gefragt, ob sie eine mono- oder polygame Ehe eingehen wollen.

Kamerunische Frauen, die auswandern wollen, werden hingegen kaum von ihrer Familie unterstützt. Und ist eine Kamerunerin erst einmal verheiratet, so ist ihr Mann für sie verantwortlich. Das heißt, ihre Chancen, dass Land zu verlassen, tendieren gegen Null. Zudem steht es für die Zurückgebliebenen im Ruch der Prostitution, wenn eine Kamerunerin auswandert, um einen weißen Mann zu heiraten. Und nicht zuletzt fürchten die Eltern einer kamerunischen Migrantin nicht selten, dass ihre Tochter in Deutschland „too individualistic“ werden könnte. Damit sind einige der zentralen Gründe für den Geschlechterbias unter den kamerunischen MigrantInnen in Deutschland genannt.

Fleischer zeigt zudem, dass und wie sich die Migrationsstrategien geschlechtsspezifisch unterscheiden: „While Cameroonian men increasingly depend on contracting and sustaining a three-year marriage to a German woman, Cameroonian women try to obtain residency permits, and thus access to the social welfare system, by bearing a German child.“ Die Autorin beleuchtet die genannten Immigrationsstrategien kamerunischer Einwanderer vor dem Hintergrund der Bedeutung, die Ehe, Gebären und Elternschaft im englischsprachigen Teil des westafrikanischen Land haben. Denn von dort stammen die von ihr befragten Einwanderer und Einwanderinnen.

Wie Fleischer darlegt, ist die Eheschließung in Kamerun nicht wie hierzulande eine Handlung, die in einem genau abgrenzbaren Akt vollzogen wird, sondern ein sich über einen längeren Zeitraum hinziehender Prozess, indem verschiedene Stationen durchlaufen werden und der lange reversibel bleibt. Wichtiger aber noch ist in dem von ihr untersuchten Zusammenhang, dass Eheschließungen von den künftigen PartnerInnen, ihren Familien und Sippen benutzt werden, um die Karriere zu fördern sowie um politische und ökonomische Allianzen zu schmieden. Romantische Vorstellungen einer Liebesheirat wurden überhaupt erst in jüngster Zeit etwas relevanter.

Fleischers Untersuchung stellt zwar die Erfahrungen der MigrantInnen ins Zentrum, berücksichtigt aber auch die Stimmen ihrer Familien und ihrer deutschen Partnerinnen ebenso wie rechtliche Argumente und die deutsche Legislative. Dabei ist es besonders erhellend, dass die Autorin die Sichtweisen von kamerunischen Männern und deutschen Frauen auf die von ihnen geschlossenen Ehen beleuchtet. Wie nicht anders zu erwarten, erzählen beide PartnerInnen oft „disonant sides of the story“.

Fleischer hat sechs deutsche Frauen befragt, die mit Kamerunern verheiratet waren. Deutsche Männer, die Kamerunerinnen ehelichten, hat sie hingegen nicht ausfindig machen können. Die meisten der deutschen Frauen gaben an, dass der unklare rechtliche Status des Partners ihre Entscheidung, ihn zu heiraten, beschleunigte. Dazu passt, dass sie als Motiv für die Ehe nicht etwa Liebe nennen, sondern vielmehr „sympathy and charity“. Drei der sechs befragten Frauen waren zum Zeitpunkt der Interviews bereits wieder geschieden. Erst nach der Scheidung hatten sie herausgefunden, dass die Kameruner sie nur wegen der Aufenthaltserlaubnis geheiratet hatten. Zwei weitere fühlten sich von ihren Ehemännern betrogen. Einige der Frauen erklärten, dass die kulturellen Unterschiede, die fremde Mentalität und die Vitalität der Männer, die sie zu Beginn faszinierten, später zu Problemen führten. Auch war ihnen lange Zeit nicht klar, dass sie mit ihrem eigenen Geld die in Kamerun zurückgebliebenen Familien ihrer Ehemänner unterstützen sollten. So wurde eine der Frauen von ihrem Mann verlassen, als sie sich weigerte, ihr ganzes Vermögen für seine Verwandten in Kamerun zu opfern.

Die befragten Kameruner fanden es ihrerseits hingegen keineswegs unmoralisch, deutsche Frauen aus materiellen Gründen zu heiraten. Denn, so argumentierten sie, auch die Frauen profitierten von der Ehe. Außerdem zwinge sie niemand dazu, einen Kameruner zu heiraten. Sie selbst aber seien sehr wohl dazu gezwungen, eine deutsche Frau zu ehelichen, da sie andernfalls wieder zurück nach Kamerun müssten, bevor sie so viel Geld verdient haben wie erhofft. Eine Argumentation, die von der Autorin mehr oder weniger explizit übernommen wird.

Verdient eine deutsche Frau mehr Geld als ihr kamerunischer Gatte, ist das ein ebenfalls ein Grund zur Klage des Ehemannes; ebenso, wenn sie sich ‚in seine Angelegenheiten einmischt‘. Eine weitere Beschwerde von Seiten der Ehemänner lautet, dass sie von ihren Frauen sexuell ausgebeutet würden und kochen oder Hausarbeit verrichten sollten. Tätigkeiten, die sie – wie sie betonen – in Kamerun nie ausführen mussten. Die zur Hausarbeit angehaltenen Interviewpartner aus Kamerun beklagten sich, dass sie sich deshalb nicht mehr als „real men“ sondern als „house slaves“ fühlten. Überhaupt fühlen sie sich von ihren Ehefrauen extrem unter Druck gesetzt, weil sie das Land verlassen müssen, falls diese sich innerhalb von drei Jahren scheiden lassen. Was sie selbst – und das fällt bei dieser Argumentation unter den Tisch – nach Ablauf der drei Jahre und mit genügend Geld in der Tasche von Anfang an zu tun beabsichtigen. Möglicherweise aber reisen sie auch einfach zurück, ohne sich scheiden zu lassen. Jedenfalls aber haben sie die Absicht, die Frau zu verlassen. Unbestritten sei, dass es Ausnahmen geben mag. Manche der bereits in Kamerun verheirateten Männer verschweigen dies Fleischer zufolge ihren deutschen Frauen, andere reden offen mit ihnen darüber.

Deutsche Frauen, die einen Kameruner heiraten, sind oft wesentlich älter als dieser. Auch waren sie nicht selten zuvor bereits mit einem Deutschen verheiratet. Während diese Frauen von den in Deutschland lebenden Landsleuten ihres Mannes als „second-hand wives“ verachtet werden, lassen sich deutsche Männer aus den untersten sozialen Schichten, sogenannte „Imbissväter“, dafür entlohnen, eine kamerunische Frau zu schwängern, damit sie ein Aufenthaltsrecht erhält. Andere Deutsche erkennen fälschlicher Weise die Vaterschaft des Kindes einer Migrantin an. Die interviewten Migrantinnen erklärten, dass dafür eine Summe zwischen mehreren hundert und 5.000 Euro dafür zu zahlen sei.

Zwar ist Fleischers Untersuchung überaus informationsreich, doch sehr oft auch ausgesprochen redundant. Dies macht die Lektüre immer wieder recht quälend. Ebenfalls quälend liest sich der nicht selten nominalistische Stil der eingangs bereits erwähnten Studie über „Straßenkinder in Duala“ des Erziehungswissenschaftlers und Afrikanisten Felix Huth. Ebenso wie Fleischer hat er diverse Interviews geführt. Wie sich versteht, allerdings nicht mit deutsch/kamerunischen EhepartnerInnen, sondern mit den Straßenkindern der größten Stadt des zentralafrikanischen Landes, die wie alle Straßenkinder auf der Welt überwiegend männlichen Geschlechts sind. Um ihr Leben in Douala beschreiben zu können, vor allem aber, um „mit dem Paradigma der Straßenkinder als pure Opfer ihrer Umstände aufzuräumen und dem Phänomen endlich, in all seiner Heterogenität, in der pädagogischen Arbeit gerecht werden“ zu können, hat er sechzehn der Kinder befragt. Es handelt sich ausschließlich um Jungs. Genauer gesagt: Sie sind alle männlichen Geschlechts. Der Älteste hatte zur Zeit der ersten Gespräche allerdings bereits sein 30. Lebensjahr erreicht, was es doch etwas fraglich erscheinen lässt, ihn den Kindern zuzuschlagen.

Huth fragt seine Gesprächspartner etwa, warum sie ihre „Familien, bzw. ihre Fürsorgepersonen, verlassen“ haben, wie „die Ankunft auf der Straße“ war, und warum sie „nicht mehr in ihre Familie, bzw. zu ihren Fürsorgepersonen, zurückgekehrt“ sind. Der Opferthese stellt er ein „Set an möglichen Vorbedingungen“ entgegen, „die alle zum Entstehen des Straßenkinderphänomens beitragen können, dies aber nicht zwangsläufig tun“.

Mag Huths Argumentation auch so einige seiner Zunft provozieren und mögen nicht alle mit Fleischers Darstellung einverstanden sein, dass die restriktive deutsche Migrationspolitik die KamerunerInnen zu ihren – wie anzufügen wäre, recht fragwürdigen – Einwanderungsstrategien zwinge, so haben sie doch beide ganz unzweifelhaft innovative Erkenntnisse stiftende Untersuchungen vorgelegt, die durchaus ihren Platz in den einschlägigen Bibliotheken finden sollten. Martine Rammers Reisebericht aber wäre für jede Bücherei eine Fehlinvestition, denn er lohnt die Lektüre nicht.

Titelbild

Martine Rammer: 30 Kühe. Kamerun - vom Tschadsee bis ans Meer.
Pro Business, Berlin 2011.
215 Seiten, 21,30 EUR.
ISBN-13: 9783863860035

Weitere Rezensionen und Informationen zum Buch

Titelbild

Felix Huth: Straßenkinder in Duala. Wie sie leben und warum sie auf der Straße sind.
VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden 2011.
120 Seiten, 29,95 EUR.
ISBN-13: 9783531183381

Weitere Rezensionen und Informationen zum Buch

Titelbild

Annett Fleischer: Migration, marriage, and the law. Making families among Cameroonian 'bush fallers' in Germany.
regiospectra Verlag, Berlin 2012.
327 Seiten, 29,90 EUR.
ISBN-13: 9783940132451

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