Preußische Johanna

Birgid Hankes „Flamme der Freiheit“ versucht sich am Schicksal einer jungen Frau in den Befreiungskriegen

Von Walter DelabarRSS-Newsfeed neuer Artikel von Walter Delabar

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Historische Romane bilden neben Krimis, Fantastischen wie erotischen Romanen und Science Fiction das Fundament populärer Lesestoffe. Routinierte, ja gebildete Leser haben jahrzehntelang offiziell einen Bogen um sie gemacht, aber auch das ändert sich. Krimis: Das darf heute auch ein intelligenter Mensch lesen. Dan Brown? Warum nicht. Harry Potter – gilt in weiten Kreisen als erstrangiger Lesestoff. Die „Shades of Grey“-Trilogie – ist fast schon wieder ein seriöser Forschungsgegenstand. Und die zahllosen Vampir- und Werwolf-Geschichten: Wer wollte über sie richten.

Historische Romane haben eine lange Tradition, und niemand wird behaupten wollen, dass die Lektüre von Walter Scott- oder Lion Feuchtwanger-Texten irgendwie anrüchig wäre. Heinrich Manns „Henri IV“? Einer der ganz großen Texte des deutschen Exils in den 1930er-Jahren. Mika Waltaris „Sinuhe der Ägypter“ – das haben wir mal begeistert gelesen.

Mit solchen Texten mögen die jüngeren Publikationen nicht einmal mithalten wollen. Sie fügen sich willig darin, in Genre-Regalen einer neben dem anderen präsentiert zu werden. Ihre Autorinnen und Autoren sind oft nicht mit allzu großem literarischen Ehrgeiz geschlagen – was ihrem handwerklichen Können aber keinen Abbruch tut.

Birgid Hanke nun hat sich in vielen, vor allem schreibenden Berufen getummelt, bis sie schließlich für die Biografie der Eleonora Prohaska die Romanform wählte. Ein historischer Roman und kein Sachbuch? Keine Frage warum: Der historische Roman bietet Kolorit, er macht durch seine Szenerie und Ausstattung neugierig und er lässt viel Raum für Belehrungen und Lehrreiches.

Und warum Eleonora Prohaska? Zweifelsohne, weil sie etwas getan hat, was für Frauen angeblich nicht angebracht ist: Sie ist 1813 mit in die Befreiungskriege gegen Napoleon gezogen, hatte dann aber nichts besseres zu tun als alle Helden – sie ließ sich gleich totschießen. Die Preußen haben diese kriegerische, aber erfolglose Frau anscheinend anschließend zur Heldin erhoben, was aber nicht von Dauer war. Mit den Befreiungskriegen sind auch beinahe alle Akteure der damaligen Jahre dem kollektiven Bewusstsein entfallen. Eleonora Prohaska durfte also wieder in Vergessenheit geraten.

Bis sich Birgid Hanke ihrer annahm. Und was macht sie daraus? Eine Emanzipations- und Durchsetzungsgeschichte im Zeichen des untergehenden ancien régime. Die Geschichte einer jungen Frau aus einfachen Verhältnissen, die ob ihrer außerordentlichen Stimme von einer hochadligen preußischen Gönnerin (Gräfin Dorothea) unter die Fittiche genommen wird.

In deren Hause lernt sie alles, was in der guten Gesellschaft zu lernen ist, sie wächst mit den Enkelinnen der Gräfin auf, sie erhält Gesangsunterricht, kommt mit dem Königshaus in Kontakt, wird wegen ihrer Stimme und Gesangeskunst gelobt, verliebt sich unglücklich, weil nicht standesgemäß in den Enkel der Gräfin und entwickelt sich zu einer starken Persönlichkeit, die um ihr Leben zu kämpfen versteht. Es sind diese Phasen der imaginierten Biografie der Prohaska, die den Großteil des Romans ausmachen. Naheliegend ist Hankes Roman eben auch eine Einführung in die Lebenswelt des preußischen Adels, seiner Verhaltensweisen und Normen, seiner Widersprüche und Animositäten.

Hanke widmet sich diesen in der deutschen Geschichte so häufig gescholtenen Preußen, die mit Zucht, Ordnung und unbedingtem Gehorsam verbunden wird, mit großer Intensität – trotz der Tugenden also, die im späteren 20. Jahrhundert wenig attraktiv erschienen. Dass dabei ein sympathisches Bild von Preußen und vom preußischen Adel entsteht, kann kaum überraschen: Es sind keine sinistren Gesellen, die von langer Hand Nationalsozialismus und Holocaust vorbereiten, sondern von ihren Verhältnissen und Bedingungen geprägte, recht normale Leute mit viel Geld, nur mit einem vorangestellten „von“ und mit zahlreichen nachfolgenden Herkunftsnamen.

Bevor Eleonora jedoch als Opernsängerin reüssiert, stirbt die Gönnerin, die Schwiegertochter treibt den Emporkömmling aus dem Haus, der Enkel hingegen beginnt eine Liaison, die selbstverständlich im Unglück endet: Eleonora wird schwanger und wird vom Geliebten verstoßen, der statt dessen (Männer, Verbrecher) standesgemäß heiratet. Sie kehrt zum Vater zurück, bringt eine Tochter zur Welt, zieht gegen Napoleon in den Krieg und fällt.

Selbstverständlich ist dieser Roman ein Lehrstück über die Grenzen der weiblichen Emanzipation, zumal aus einfachen Verhältnissen kommend. Selbstverständlich strotzt dieser Romane eben auch vor historischem Kolorit. Selbstverständlich spielt die ständische Struktur der Gesellschaft eine große Rolle, und doch menschelt es hier ganz heftig. Und selbstverständlich gibt es so etwas wie ein Happy End. Wer wollte es der Autorin und ihren Lesern verdenken.

Aber zu finden ist hier eben auch die Geschichte einer gelungenen Selbstbehauptung, und sie ist eben auch gekonnt erzählt. Hanke will unterhalten, erzählen und ein Thema vermitteln, und das auf gediegenem Niveau. Hier ist keine Dilettantin am Werk, sondern eine Autorin, die ihr Handwerk versteht. Dass dabei kein avantgardistisches Werk herauskommt, wird man ihr nachsehen. Gegen gut gemachtes Nasch- wie Nährwerk mit sittlichem und historischem Mehrwert lässt sich wirklich nichts einwenden. Es muss nur gefallen und nutzen.

Titelbild

Birgid Hanke: Flamme der Freiheit. Roman.
Droemersche Verlagsanstalt, München 2013.
480 Seiten, 9,99 EUR.
ISBN-13: 9783426508770

Weitere Rezensionen und Informationen zum Buch