Christian Krachts exotischer Reiseroman „Imperium“ als Taschenbuch

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Es war eine der größten Kontroversen der letzten Jahre. Als die teils grotesk anmutende Debatte, die im Frühjahr 2012 im deutschsprachigen Feuilleton um angebliches „rechtes Gedankengut“ in Christian Krachts Roman „Imperium“ tobte, abgeklungen war, nahm sich Volker Weidermann noch einmal resümierend des Themas an. Lösen konnte der Redakteur der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ das Rätsel, worum es dem umstrittenen Autor des Abenteuer- und Reiseromans über den durchgeknallten Öko-Aussteiger August Engelhardt in seinen Texten denn nun wirklich gehe, allerdings auch nicht: „Gibt es einen Kern in den Büchern von Christian Kracht? Einen politischen Kern? Ist wirklich alles nur Ironie? […] Lohnt es sich dann überhaupt, diese Bücher zu lesen? Warum? Ehrlich gesagt: Ich weiß es nicht.“

Fragen über Fragen: Klar ist jedenfalls, dass „Imperium“ durch den Verriss von Georg Diez im „Spiegel“ bereits kurz vor Erscheinen des Romans im Februar 2012 in aller Munde war und der damit geradezu vorprogrammierte Bestsellererfolg nunmehr als Taschenbuch vorliegt – passenderweise mitten im Reisemonat August. Und zwar, wie Kracht auf seiner Facebook-Seite angibt, sogar mit den „in der Hardcover-Ausgabe fehlenden 2 Seiten zum folgenreichen Treffen August Engelhardt / Emil Nolde in der Südsee“.

Wenn das kein Anreiz zur (Re)-Lektüre ist! Die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ mag dieser Tage darüber geschimpft haben, dass man Krachts Debüt „Faserland“ in Niedersachsen zur Pflichtlektüre für das Abitur erhob. Die dazu unter Berufung auf einen gewissen Didaktiker namens Dr. Zobel vorgebrachten Kritikpunkte – so eine angebliche Vorliebe des „Faserland“-Erzählers „für fäkalsprachliche Ausdrücke und abartige Fantasien“ – vermochten jedoch kaum zu überzeugen. Schließlich muss das, was der Protagonist eines Textes so alles denkt oder sagt, bekanntlich nicht unbedingt heißen, dass damit die ,Botschaft’ des Werks identisch ist. Auch verblüfft die Sorge der Artikel-Autorin Heike Schmoll über die „Fehlinformationen“ eines fiktiven Charakters, mit denen Krachts Roman strebsame Schüler zu behelligen drohe: Offenbar möchte die Kritikerin alle diejenigen Lektüren an Schulen verboten wissen, in denen literarische Figuren vorkommen, die irgendwo im Text irgendetwas Falsches sagen.

Jedenfalls bringt uns diese an altertümliche „Schmutz und Schund“-Kampagnen erinnernde Argumentation der „F.A.Z.“ auf ganz neue Gedanken: „Imperium“ wäre sicher ebenfalls ein passender Text für den Deutschunterricht. Vielleicht geben sich konservative Bundesländer wie Bayern und Baden-Württemberg ja einen Ruck und folgen dem mutigen Beispiel der Kollegen aus dem Norden, auf dass Volker Weidermanns Fragenkatalog künftig von wackeren Musterschülern im Rahmen des Zentralabiturs beantwortet werden möge.

So oder so besteht kein Zweifel mehr: Kracht ist kanonisiert. Zur Unsterblichkeit fehlt jetzt nur noch, dass man auf Sylt, am Bodensee oder in der Südsee erste Christian-Kracht-Wanderwege einrichtet – es muss schließlich nicht immer der Dr. Faustus-Weg in Polling oder der Arno-Schmidt-Pfad in Cordingen sein. Die Redaktion von literaturkritik.de drückt dazu ganz feste die Daumen!

J. S.

Titelbild

Christian Kracht: Imperium. Roman.
Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt a. M. 2013.
242 Seiten, 9,99 EUR.
ISBN-13: 9783596185351

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