Hübsche Frauen und lustvoller Widerstand

Dr. Siri Paiboun, der Schweijk des kommunistischen Laos, löst seinen sechsten Fall

Von Georg PatzerRSS-Newsfeed neuer Artikel von Georg Patzer

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Kaum ist Dr. Siri Paiboun verheiratet, schlägt auch schon die Bürokratie zu: die Wohnung, die ihm die laotische Regierung unter strengen Auflagen zugewiesen hat, hat er befreundeten ehemaligen Prostituierten, Obdachlosen und einem buddhistischen Mönch, der verbotenerweise auch Zeremonien durchführt, überlassen. Siri lebt bei seiner geliebten Frau, Madame Daeng, denn nach so vielen Jahren will er keinen Morgen verpassen, neben ihr aufzuwachen. Die Bürokratie ist aber hartnäckig, der Beamte Koomki lässt ihn überwachen und verbündet sich sogar mit Siris Erzfeind, Richter Haeng.

Siri hat aber gar keine Zeit, sich darum richtig zu kümmern. Denn auf seinem Seziertisch (Siri ist nicht nur der älteste, sondern auch der einzige Pathologe des kommunistischen Laos im Jahr 1978) landet eine bildhübsche junge Frau, die brutal ermordet wurde: an einen Baum gefesselt, gefoltert und erwürgt. Als er einer befreundeten Lehrerin, deren Chemielabor er für die Pathologie nutzt, von dem Fall erzählt, kommt ihr das bekannt vor: In Laos zieht ganz offensichtlich ein Serientäter durch’s Land, und zwar schon seit vielen Jahren. Außerdem ist der verrückte, oft nackt herumlaufende Inder Rajid spurlos verschwunden, und Siri sieht immer wieder seinen kürzlich verstorbenen Hund…

Colin Cotterills inzwischen sechster Roman um den exzentrischen und genialen Pathologen Dr. Siri, der Tote sieht und in dessen Körper ein uralter Geist wohnt, kreist wie die meisten vorherigen um die Probleme, mit denen sich aufrechte Kommunisten, die auch noch an die Humanität glauben, herumschlagen müssen: die allgegenwärtige Bürokratie, die Bestechlichkeit der alten Kader, der Machtrausch, dem sich die verdienten Kommunisten hingeben, und der Unmenschlichkeit eines Serienkillers, der es versteht, schöne Mädchen aus armen Familien mit scheinbarem Reichtum und Versprechungen zu umgarnen, sie aus ihrer vertrauten Umgebung herauszulocken und sie dann zu ermorden.

„Der fröhliche Frauenhasser“ spielt auf zwei Ebenen: die eine ist die vertraute um Dr. Siri und seine Freunde, die Alltagsprobleme, die ein Leben in einem Staat mit sich bringen, der alles durchorganisieren will und daran so grandios scheitert wie jeder kommunistische Staat vor und nach ihm. Dieser Alltag ist voller Trauer und Wut über die Auswüchse des Kommunismus, aber auch voller Fröhlichkeit und Leben, die ein lustvoller und oft ironischer und manchmal schlitzohriger Widerstand à la Schwejk gegen das Regime mit sich bringt.

Auf der anderen Ebene lernt der Leser das Innenleben des Mörders kennen, seine Überlegungen, seine Gefühle und Pläne. Bereits auf Seite 23 heißt es: „Sein Rekord lag bei fünf Tagen: die platonische Verführung, Abendessen mit den Eltern, Vorlage von Bankauszügen und Referenzen, ein Abstecher aufs Standesamt in der nahegelegenen Kreisstadt – und all das in nicht einmal einer Woche. […] Jetzt brauchte er ihr nur noch die Jungfräulichkeit zu nehmen – und ihr Leben. Konnte man irgendwo sonst auf der Welt einen Menschen in so kurzer Zeit zu seinem Privateigentum machen?“

Mit solchen zynischen Worten macht der Mörder nicht nur seine eigene Psychose, sondern auch gleich das Elend der armen Bevölkerung deutlich, die sich manchmal kaum anders zu helfen weiß als ihre Kinder zu „verkaufen“, ,dem nächstbesten Mann, der Wohlstand verspricht, nachzuwerfen. Die bittere Konsequenz ist in Cotterills Romanen der brutale Tod, aber vorstellbar wäre auch Zwangsprostitution, Verkauf an Bordelle, Vergewaltigung, auch in der Ehe – denn die Frau hat, wenn sie verheiratet ist, überhaupt keine Rechte mehr. Insofern ist „Der fröhliche Frauenhasser“ nur ein bisschen zugespitzt, denn die Lage der Frau ist auch im kommunistischen Laos nicht besser als irgendwo sonst.

Und so ist das Buch über den schlitzohirgen Dr. Siri, der sich am liebsten ins Privatleben zurückziehen würde, auch eine soziale Anklage: über das Elend der Familien und Frauen, die in Armut leben und sich verkaufen müssen, um überleben zu können.

Titelbild

Colin Cotterill: Der fröhliche Frauenhasser. Dr. Siri ermittelt.
Übersetzt aus dem Englischen von Thomas Mohr.
Manhattan Verlag, München 2013.
320 Seiten, 17,99 EUR.
ISBN-13: 9783442546824

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