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Hugs and Kisses

Zu Jeffrey Deavers Roman „Die Angebetete“

Von Thomas Neumann

Der neue Roman von Jeffrey Deaver spielt im Musikermilieu. Hauptfigur ist die Country-Sängerin Kayleigh Towne, die von einem aufdringlichen Fan gestalkt wird. Diese Bedrohung eskaliert, als kurz vor einem Konzert einer der Mitarbeiter aus dem Team der Sängerin ermordet wird. Es schaltet sich die schon aus vorherigen Romanen Deavers bekannte Ermittlerin Kathryn Dance ein, die sich zwar gerade im Urlaub befindet, aber gerne den örtlichen Ermittlungsbehörden behilflich ist, zumal sie die Sängerin kennt. Ein inhaltlicher Schnittpunkt ist eine der Nebenbeschäftigungen von Dance, die in ihrer Freizeit durch die USA reist und Musikaufnahmen von Landarbeitern, Wanderarbeitern und Minderheiten in der amerikanischen Gesellschaft macht. In Amerika gibt es eine lange Tradition des sogenannten „Field Recordings“, allen voran von Alan Lomax. Und hier findet man auch den inhaltlichen Anknüpfungspunkt zu der Country-Sängerin, die Dance bei einer ihrer Aufnahmetouren kennengelernt hat.

Das Problem ist ein Mord und ein Stalker, der etwas mehr als nur Umarmungen möchte. Und an dieser Stelle sei kurz der Titel der Originalausgabe erklärt: „XO“ ist die Kurzformel am Ende von Briefen und bedeutet soviel wie „Hugs and Kisses“, also „Umarmungen und Küsse“. Diese Formel findet man auch auf Briefen und Emails, die der Stalker an Kayleigh Towne geschickt hat. Deaver konstruiert eine spannende Geschichte aus dem Wechselspiel zwischen Stalking, Verfolgung und realer Gefahr durch Mord und Anschläge. Dabei ist der Leser zwar immer dicht am Geschehen und manchmal besser informiert als die Ermittler, teilt aber mit diesen den mehrfachen Perspektivenwechsel auf den vermeintlichen Täter, der zwischenzeitlich wieder unschuldig erscheint, dann wieder in Verdacht gerät und letztendlich subtil in ein wildes Verwirrspiel integriert wird. Dabei scheint der Leser immer wieder zu wissen, wie es um den Täter bestellt ist – wird aber immer wieder enttäuscht. Dies verbunden mit dem Charme der Ermittlerin Kathryn Dance würde schon für ein erfreuliches Leseerlebnis ausreichen. Deaver hat aber diesmal noch ein kleines zusätzliches Bonbon mitgeliefert.

Die im Buch gestalkte Country-Sängerin wird nach einem bestimmten „Plan“ belästigt, bei dem der Täter sich von ihren Liedtexten leiten lässt. Deaver hat natürlich auch diese Lieder geschrieben und letztendlich die Idee zur Aufnahme eines Titelsongs gehabt. Dass sein Vorschlag so gut ankommen würde, war nicht zu vermuten, und so wurde plötzlich ein ganzes Album aus dem Liedmaterial aufgenommen. Den Part der Sängerin übernahm die zauberhafte und aus Nashville stammende Treva Blomquist. Damit ist der Leser in der glücklichen Lage, einen Soundtrack für ein Buch zu haben, den er sich am besten vorab zulegt und als Begleitmusik zur Lektüre wählt. Album und Buch harmonieren zusammen und machen den erzählten Raum noch authentischer. Und wann gibt es schon mal einen Soundtrack zum Buch?

Jeffery Deaver: Die Angebetete. Roman. Blanvalet Verlag, München 2013. 572 Seiten, 19,99 EUR. ISBN-13: 9783764504700 Weitere Rezensionen und Informationen zum Buch