Wegweiser durchs Wirrwarr
Tilmann Köppes und Simone Winkos in 2. Auflage erschienene Einführung in die neueren Literaturtheorien
Von Rolf Löchel
„Keine Leserin und kein Leser kann ‚theoriefrei’ Literatur lesen“, betonen Tilmann Köppe und Simone Winko, die AutorInnen der Einführung in die „Neueren Literaturtheorien“, zu Beginn ihres Buches. Das ist zweifellos zutreffend. Doch richtet sich der Band nicht so sehr an ‚die gewöhnlichen Lesenden’, sondern vielmehr an solche, die sich fachlich mit Literaturtheorien sowie den Begriffen, Modellen und Methoden, „die eine Auseinandersetzung mit Einzeltexten leiten“, auseinandersetzen wollen. Mithin an Studierende jüngerer Semester also, denn es handelt sich bei dem vorliegenden Band um eine Einführung. Ihren Wegweiser durch den „terminologischen Wirrwarr“ literaturtheoretischer Ansätze haben die AutorInnen fünf Jahren nach dem Erscheinen der Erstausgabe für die Neuauflage überarbeitet und vor allem um ein aktuelles Kapitel ergänzt, das mit dem raumtheoretischen Ansatz, der Wissensgeschichte und der Computerphilologie „neue Ansätze“ vorstellt. Von anderen vergleichbaren Vorhaben unterscheidet sich die Einführung von Köppe und Winko dadurch, dass sie „besonderen Wert auf die Vergleichbarkeit“ der vorgestellten Theorien und Ansätze legt. Ein Alleinstellungsmerkmal, dass sie gegenüber den konkurrierenden Werken auszeichnet.
Die AutorInnen beabsichtigen mit ihrer Handreichung, „implizite theoretische Vorannahmen bewusst zu machen, die den eigenen interpretierenden Umgang mit literarischen Texten leiten“, „neue bzw. alternative Perspektiven auf literarische Texte“ zu bieten und natürlich die allesamt „selten in Reinform“ angewandten literaturtheoretischen Ansätze zu vermitteln. Man darf das Unternehmen als gelungen betrachten. Dabei räumen Köppe und Winko ohne weiteres ein, dass in einem Buch wie dem vorliegenden „Reduktionen nicht zu vermeiden“ sind, und empfehlen den Lesenden daher aus gutem Grund, sich über die Lektüre der Einführung hinaus „mit den Primärtexten der Theorien genauer zu beschäftigen.“ Hierzu muss allerdings gesagt werden, dass Köppe und Winko über die neueren Literaturtheorien wie etwa die strukturalistische, die dekonstruktive und die feministische oder die Rezeptionsästhetik und den New Historicism gut fasslich informieren und sie auch für EinsteigerInnen verständlich präsentieren, ohne sie dabei über Gebühr zu verkürzen, zu vereinfachen oder Komplexes unterkomplex darzustellen.
Zu monieren ist allenfalls, dass sie eingangs die Naturwissenschaften zum Maßstab dafür nehmen, welche Theorien als Theorie „im strengen Sinne“ gelten können. Warum die Anforderungen, die eine bestimmte Gruppe wissenschaftlicher Disziplinen an Theorien legen, zugleich das Kriterium dafür liefern sollen, welchen Kriterien wissenschaftliche Aussagesysteme schlechthin genügen müssen, um sich als Theorien im strengen Sinne zu qualifizieren, ist nicht einsehbar und wird von Köppe und Winko auch nicht weiter begründet. Diese Kritik betrifft allerdings eine dem eigentlichen Thema der Einführung vorgeschaltete Metaebene. Und in den neuren Literaturtheorien kennt sich das AutorInnenduo nicht nur bestens aus, sondern versteht seine Kenntnisse auch konzis und nachvollziehbar zu vermitteln.
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