Alice im Hipsterland

Bernhard Blöchl schreibt mit seinem Debütroman „Für immer Juli“ ein peinliches Porträt des Männerbildes in der hippen Münchner Schickeria – Fremdschämen inklusive

Von Oliver DietrichRSS-Newsfeed neuer Artikel von Oliver Dietrich

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Alice Schwarzer wäre stolz auf ihn, lässt Bernhard Blöchl seinen Protagonisten gleich zu Anfang sagen und das Buch so mit einer Lüge beginnen, die nur von absolutem Unverständnis feministischer Theorien herzuleiten sein kann. Und so geht es einem mit dem ganzen Buch: Das Lesen wird von der bangen Hoffnung begleitet, dass Blöchl nur eine Satire auf männliche Ideale beziehungsweise auf die heteronormative Wertewelt der Hipster-Generation schaffen will – aber nein, das Buch ist nur ein weiterer Beweis, um deren Lächerlichkeit zu entlarven.

Protagonist Julian Hartmann, den alle aber immer nur Juli nennen, ist ein unsicherer Jammerlappen, der in einer hübschen Münchner Wohnung wohnt, Seitenscheitel und lila Hornbrille trägt, gern teuren Wein schlürft, VW Beetle fährt und als Redakteur einer namhaften Musikzeitschrift arbeitet. Dieser Mann braucht also ganz schnell ein Problem, an dem sich die Story entlanghangeln soll. Bitteschön: Seine Freundin Emma – der Name ist absichtlich so gewählt – brennt mit Marc durch, ein BWL-verseuchter Controller in einer Unternehmensberatung, das Feindbild schlechthin für den schöngeistigen Softie. Geben wir es zu: Das klingt nach einem hervorragenden Ausgangsstoff für eine beinharte Satire, oder? Blöchl meint das jedoch ernst. Mehr noch: Er lässt die einmalige Chance einfach liegen, diese ganzen hippen Karrieristen endlich mal auf die Schippe zu nehmen – und biedert sich ihnen an.

Und lässt Juli erst mal heulend auf einem Tomte-Konzert zurück, über dass er doch berichten soll. Mit dabei ist sein Kumpel und Redaktionskollege Slash – Samtzylinder, strähnige Haare –, der ihn belehrt, dass nur Pussys bei Tomte heulen würden. Der untersetzte Slash ist nämlich ein Frauenschwarm, der jede ins Bett labert, muss man wissen. So will Juli natürlich auch gern werden. Vorher muss er aber erst einmal sein Luxusproblem lösen: Es ist niemand mehr bei ihm zu Hause, dem er Pastinakenpüree kochen kann. Also wickelt er sich traurig in seinen „Cashmere-Cardigan“ (wer trägt denn noch Pullover?) und spielt an seinem „iPhone“ rum (wer benutzt denn noch ein Telefon?). Sämtliche seelenlose Hipsterklischees geballt auf einem Haufen.

Juli entscheidet sich also, nachdem er seinen Job verloren und sich betrunken hat, sich zu „emannzipieren“ (er nennt das explizit so) und ein richtiger Aufreißer zu werden, etwa so wie der Schauspieler Vin Diesel. Dafür lässt er sich eine Glatze scheren und heuert bei „Glossy Girl“ an, einer Zeitschrift für Frauen, und sieht dort nur „straffe, schöne Frauenbeine“ in einem Redaktionsgebäude, in dem Pink dominiert. „In den Händen dieser Frauen liegen die Träume angehender Models, Modebloggerinnen und Yacht-Besitzer-Söhne-Lebensabschnittsgefährtinnen.“ Und ein bisschen Vorbereitung für den Hühnerstall gönnt er sich auch: In Wien gibt es ein Aufreißerseminar, das ein gewisser Fox leitet. Genau da will Juli lernen, wie man Frauen klarmacht.

Schlimm ist jedoch nicht nur der Inhalt des Buches, sondern Blöchls saft- und kraftloser Schreibstil, im Präsens, mit derart fantasielosen Dialogen, dass einem nach Fremdschämen ist. Beispiel gefällig? Dialog mit seiner (natürlich lesbischen) Friseurin: „‚Ich sag dir jetzt mal was‘, beginnt Kat und dirigiert mit ihrer Schere ein imaginäres Männerorchester. ‚Worauf es wirklich ankommt, ist Entschlossenheit. Wir lieben es, wenn Männer wissen, was sie wollen. Und es sich auch nehmen. Wer zögert, verliert, auch im Bett.‘

‚Aber ihr könnt euch doch selbst nicht entscheiden‘

‚Eben, Julibaby, eben‘, sagt sie und schmunzelt.“

Das sind Dialoge, die bei einem Anfängerkurs für Kreatives Schreiben entstanden sein könnten. Der Mario Barth der Hipstergeschichten, der wirklich kein Fettnäpfchen auslässt, navigiert sich in kurzen Sätzen und farblosen Metaphern durch eine so katastrophale Geschichte, dass man es eigentlich nicht fassen kann. Die flapsigen Dialoge wirken ungelenk, die Sätze sind mit überflüssigen Informationen und rhetorischen Figuren in Klammern gespickt, dazu duzt Blöchl seine Leser aufdringlich. Und inhaltlich liefert er einfach nur den Beweis, dass das ganze Hipstertum nichts anderes ist als ein Haufen Proleten, denen man zu viel Spielgeld in die Tasche gesteckt hat.

Dieses Buch kann man sich getrost sparen. Es reicht, wenn man nur die Kapitelüberschriften überfliegt, um eine Ahnung zu bekommen, was einen erwartet: Ficken in Tuntenhausen, Bridge of Bitch, Präpotente Verwirrungen, Beischlafes Bruder et cetera. Blöchl kann von Glück reden, wenn Alice Schwarzer nichts von diesem Buch erfährt. Und wenn dieses Buch heimlich, still und leise in der Versenkung verschwindet.

Titelbild

Bernhard Blöchl: Für immer Juli.
Maro Verlag, Augsburg, Bay 2013.
229 Seiten, 14,80 EUR.
ISBN-13: 9783875122985

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