Eine Apologie pro domo
Hedwig Dohm rechtfertigt sich in ihrer Novelle „Sommerlieben“ gegenüber Kritik an ihrem Roman „Sibilla Dalmar“
Von Rolf Löchel
Seit einigen Jahren scheint die von Isabell Rohner und Nicole Müller herausgegebene „Edition Hedwig Dohm“ ins Stocken geraten zu sein. Da ist es umso erfreulicher, dass der eine oder andere Text der bekannten Frauenrechtlerin zwischenzeitlich andernorts neu aufgelegt wird. So etwa jüngst Dohms „Freiluftnovelle“ mit dem Titel „Sommerlieben“, die erstmals 1909 in einem gleichnamigen Sammelband erschien.
Ebenso wie bereits bei der 1990 im Ulrike Helmer Verlag erschienen Neuausgabe der gesamten Novellen-Sammlung gleichen Titels hat Heike Brandt für die Neuausgabe der Erzählung ein Nachwort verfasst, in dem sie einen Abriss von Dohms Leben bietet. Dass sie darin ausweislich des Literaturverzeichnisses zwar auf ihre eigene Biografie aus dem Jahr 1989 rekurriert, nicht aber auf die weit informativen, die Isabell Rohner unter dem Titel „Spuren ins Jetzt“ jüngst auf den Markt brachte, zeugt nicht eben von Souveränität.
Hedwig Dohm selbst setzt mit ihrer „Freiluftnovelle“ einmal mehr auf das Genre des Briefromans. Ihre Protagonistin Marie Luise, eine Sommerfrischlerin im an der deutschen Ostsee gelegenen Salentin hält einen befreundeten Witwer, dessen beide Kinder sie betreut, über deren Treiben auf dem Laufenden. Zugleich berichtet sie mit oft wenig freundlichem Blick über Land und Leute, wobei sie dem Adressaten allerdings auch die eine oder andere Geschlechtsgenossin als Braut (und Mutter seiner Kinder) anpreist. Zwar wird er am Ende des Romans tatsächlich einen Heiratsantrag stellen, der aber zu ihrer Überraschung und Freude ihr selbst gilt. Die Lesenden dürften da jedoch schon lange geahnt haben, dass die Novelle auf dieses konventionelle Happy End hinausläuft.
Interessanter macht den kleinen Prosatext eher etwas anderes. Ganz en passant verteidigt sich Dohm in einer recht unauffällig eingeflochtenen Nebenbemerkung gegen die schweren, sich zu einem kleinen Skandal ausweitenden Anwürfen, die wenige Jahre vor Erscheinen der Novelle angesichts ihres Romans „Sibilla Dalmar“ gegen sie erhoben worden waren. Einige ZeitgenossInnen hatten sich in dem Buch unliebsam porträtiert gesehen, was sie der Autorin übel anrechneten. „Das Umschmelzen harmloser Leute in Romanfiguren ist Dichterart, die Originale lachen, die Kusinen ärgern sich,“ lässt sie Marie Luise nun in ihrer Novelle räsonieren.
Zwar ist Dohms Erzählung um ein in ihrem 35. Jahr stehendes „betagtes Fräulein“ in „eleganten Reformgewändern“ sicher nicht der ganz großen Literatur zuzurechnen. Doch lässt sich mit der leichten Lektüre des Briefromans, in das die Autorin einen Tagebuch-Auszug eingesprengselt hat, ein verregnetes – oder auch sonniges – Sommerwochenende sicherlich ebenso gut verbringen, wie ein, zwei lange Winterabende.
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