Das Phänomen verstehen

Frank Günther beleuchtet in „Unser Shakespeare“ Leben und Werk des englischen Dramatikers

Von Manfred OrlickRSS-Newsfeed neuer Artikel von Manfred Orlick

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Im April dieses Jahres begehen wir den 450. Geburtstag eines Phänomens mit dem Namen „William Shakespeare“. Im Laufe der zurückliegenden Jahrhunderte wurde er gefeiert, vergessen und wiederentdeckt. Zwar kennen wir alle den großen englischen Dramatiker und seine Werke – von „Romeo und Julia“ bis zu seinem „Hamlet“ – aber über den Menschen Shakespeare wissen wir relativ wenig. Und das ist noch vorsichtig ausgedrückt.

Der ausgesprochene Shakespeare-Kenner Frank Günther, der fast alle dramatischen Werke Shakespeares übersetzt hat, bringt uns den „Swan of Avon“ in seinem neuen Buch „Unser Shakespeare“ näher, indem er versucht, Einblicke in das Zeitalter zur Wende des 16./17. Jahrhunderts zu vermitteln. So beleuchtet er das großartige Elisabethanische Weltbild der damaligen Zeit, entführt den Leser aber auch in das angebliche „Kuhdorf“ Stratford on Avon, das in Wahrheit jedoch eine Bürgerschicht mit beachtlichem Bildungsniveau besaß. Auch die Herrschaftszeit von Jakob I. wird gestreift, schließlich verfasste Shakespeare während dieser einen Großteil seiner Dramen. Um das Geheimnis „Shakespeare“ ein wenig zu lüften, setzt sich Günther auch mit einigen Werken, die etwas über das Denken und die Geisteshaltung des Dramatikers verraten, auseinander: die Sonette, „Hamlet“ oder „Maß für Maß“.

Neben der Darstellung der für uns heute fremden „Shakespeare“-Welt vor vierhundert Jahren verfolgt der Autor noch ein anderes Ziel: die Antwort auf die Frage, wie die Werke von Englands berühmtestem Dichter zu Klassikern der Weltliteratur wurden – vor allem, wie er in Deutschland in den letzten zweihundert Jahren zu „unserem Shakespeare“ wurde. Denn das ist beispiellos, dass ein fremdsprachiger Autor so in unsere Nationalliteratur übernommen wurde, ja sogar zum Spiegel unserer ‚deutschen Seele‘ wurde.

Natürlich kommt Günther auch nicht an der Frage „Wer war Shakespeare wirklich?“ und den zahlreichen und wirren Theorien um seine Autorenschaft vorbei. Dabei warnt er, denn gerade heute ist die Ansteckungsgefahr groß, was die alljährlich im Durchschnitt 6000 Publikationen zum Thema „Shakespeare“ beweisen. Nun also noch ein weiteres Shakespeare-Buch? Eindeutig ja, denn Frank Günther versteht es wunderbar, uns Shakespeare näherzubringen. Nicht nur mit Fakten und Vermutungen, sondern mit viel Kenntnis und vor allem mit Witz. Das Buch verstreut auf keiner Seite papierne Langeweile. Günthers Sprache ist nicht gelehrt, sondern alltäglich und amüsant – eben echt Shakespeare.

Titelbild

Frank Günther: Unser Shakespeare. Einblicke in Shakespeares fremd-verwandte Zeiten.
Deutsche Verlags-Anstalt, München 2014.
335 Seiten, 14,90 EUR.
ISBN-13: 9783423260015

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