Neues bei literaturkritik.de

Mit Vorbemerkungen zur April-Ausgabe 2014

Von Thomas AnzRSS-Newsfeed neuer Artikel von Thomas Anz

Wann genau William Shakespeare geboren wurde, weiß man nicht. Aber es muss im April vor 450 Jahren gewesen sein. Denn das Kirchenregister der Holy Trinity Church in Stratford-upon-Avon gibt den 26. April 1564 als den Tag seiner Taufe an. Dass er drei Tage vorher zur Welt kam, wie manche behaupteten, ist pure Spekulation. Und Spekulationen zirkulieren schon lange auch über die Autorschaft der unter seinem Namen berühmt gewordenen Werke. Als Goethe 1771 seine Rede „Zum Schäkespears Tag“ hielt, die das verehrte Dichter-Genie als ein von allen Regelzwängen freies Individum feierte, interessierte ihn das alles nicht im Geringsten. Die erste Begegnung mit Shakespeares Werken schilderte der junge Goethe als Erlebnis einer wunderbaren Erweckung: „Die erste Seite die ich in ihm las, machte mich auf Zeitlebens ihm eigen, und wie ich mit dem ersten Stücke fertig war, stund ich wie ein blindgebohrner, dem eine Wunderhand das Gesicht in einem Augenblicke schenckt. Ich erkannte, ich fühlte auf’s lebhaffteste meine Existenz um eine Unendlichkeit erweitert, alles war mir neu unbekannt, und das ungewohnte Licht machte mir Augenschmerzen. Nach und nach lernt ich sehen, und, danck sey meinem erkenntlichen Genius, ich fühle noch immer lebhafft was ich gewonnen habe.“

Der Schwerpunkt der April-Ausgabe von literaturkritik.de, der sich der Zusammenarbeit Dieter Lampings und seiner Komparatistik-Redaktion in Mainz mit der in Bamberg lehrenden Anglistin Christa Jansohn verdankt, widmet sich Shakespeare etwas nüchterner, mit wissenschaftlicher Distanz. Aber die Faszination, die bis heute von seinen Werken und der Persönlichkeit ausgeht, der sie zugeschrieben werden, bleibt überall spürbar. Bis hin zu dem Versuch, vier rätselhafte Verse zu verstehen, mit denen sein 121. Sonett beginnt. In der Übersetzung von Karl Kraus:

Viel besser: schlecht sein, als für schlecht zu gelten,
wenn, der’s nicht ist, doch dafür wird gehalten,
und edlen Liebesdrang, den wir nicht schelten,
die Welt verneint in ihrem kalten Walten.

Mit der Interpretation dieses Sonetts eröffnet Dieter Lamping gleich im Anschluss an den Shakespeare-Schwerpunkt und ihn ergänzend eine neue Serie von Beiträgen in literaturkritik.de, die von ihm und mir herausgegeben wird: „Lyrik aus aller Welt“. Unter diesem Titel erscheint nun jeden Monat die Interpretation eines Gedichtes der Weltliteratur von der Antike bis zur Gegenwart. Die Interpretationsreihe versteht sich als Einladung und Anregung zu einem Gespräch darüber, welchen Gedichten weltliterarischer Rang zugeschrieben werden kann.

Neu ab der April-Ausgabe ist weiterhin die Zusammenarbeit der Marburger Zeitschriftenredaktion mit einer dritten, externen Redaktion an einem anderen literaturwissenschaftlichen Institut, mit der Redaktion „Gegenwartskulturen“ unter der Leitung von Alexandra Pontzen an der Fakultät für Geisteswissenschaften der Universität Duisburg-Essen. Sie stellt sich in dieser Ausgabe mit ersten Beiträgen in einer eigenen Rubrik vor. Wir freuen uns auf die weitere Zusammenarbeit.

Die April-Ausgabe hat ihren Weg ins Netz unter erschwerten Bedingungen gefunden. Unser langjähriger Mitarbeiter und Koordinator in der Redaktion Dr. André Schwarz hat sehr kurzfristig das attraktive Stellenangebot eines Medienunternehmens in Kiel angenommen. Seine Erfahrungen, seine Kompetenz und ständige Hilfsbereitschaft, sein unermüdliches Engagement und seine geduldige Freundlichkeit auch in Zeiten starker Belastung werden allen fehlen, die mit ihm zusammengearbeitet haben. Wir danken ihm herzlich für alles, was er für literaturkritik.de getan hat, und wünschen ihm bei seiner neuen Tätigkeit viel Freude und Erfolg.

Zu den vielen Praktikantinnen und Praktikanten bei literaturkritik.de, die André Schwarz betreut hat, gehörte vor etlichen Jahren auch Stefan Jäger. Nach dem Praktikum und auch noch nach dem Abschluss seines Master-Studiums ist er unserer Zeitschrift, unserem Verlag und dem Institut weiter hilfreich verbunden geblieben und hat darüber hinaus in einem anderen Marburger Verlag einschlägige Berufserfahrungen sammeln können. Seit Beginn dieses Monats hat Stefan Jäger die Aufgaben von André Schwarz übernommen, so dass die Kontinuität der Redaktionsarbeit zunächst gesichert ist. Einen gewichtigen Beitrag dazu hat Jürgen Joachimsthaler geleistet, der im Rahmen seiner Professur für Neuere deutsche Literatur seit dem 1.4.2014 den Marburger Studienschwerpunkt „Literaturvermittlung in den Medien“ betreut. Dafür sei ihm ausdrücklich gedankt.

Unseren Leserinnen und Lesern wünschen wir einen anregenden Bücherfrühling! Und uns selbst, frei nach Shakespeare: „Viel besser: gut  sein, als für gut zu gelten…“

Mit herzlichen Grüßen

Thomas Anz