Schmalspürnase

Über Sibylle Lewitscharoffs Krimi „Killmousky“

Von Roman HalfmannRSS-Newsfeed neuer Artikel von Roman Halfmann

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Richard Ellwanger, so um die 60, sitzt eines Morgens in der Wohnung und überdenkt die Situation: Aus dem Polizeidienst hat der Hauptkommissar sich selbst entfernt, da er in einer Überreaktion einem Verdächtigen mit Folter gedroht hatte. Auf diese Weise wurde die Entführung eines Mädchens zwar aufgeklärt, doch leider nicht früh genug, um den Mord zu verhindern. Also Ruhestand. Und er nun in der Wohnung. Frau keine da, Kinder ohnehin nicht – was also tun?

Angesichts des drohenden Debakels eines Lebens im Zustand der Frührente hilft auch der zugelaufene Kater wenig, den Ellwanger Killmousky tauft und dem er von nun an jeden Morgen neidisch hinterdrein stiert, wenn dieser auf Jagd geht. Ellwanger hingegen, in Schlappen, raucht eine – ein Mann mit Ecken und Kanten, den man im Revier „Verhör-Ellwanger“ nannte, da er im Gespräch unter vier Augen stets die richtigen Worte fand.

Nun ja, es ist ein Krimi und so kommt es, wie es kommen muss: Ellwanger erhält ‚vollkommen überraschend‛ und ‚wie aus heiterem Himmel‛ einen Anruf aus New York. Seine Vermieterin. Sie berichtet von einem Selbstmord in der High Society und davon, dass die betroffene Familie eher an Mord glaube. Ellwanger macht sich auf den Weg, trifft sich mit einigen New Yorkern, recherchiert, stellt seine Fragen in einem schlechten Englisch, fliegt wieder nach Deutschland. Auch hier fragt er umher, doch jeder Verdacht bleibt Andeutung. Beweise – Fehlanzeige.

Also wieder nach New York. Und nun hat er Glück, denn ein eigentlich als genialisch eingeführter Verdächtigter verhält sich unvermittelt ziemlich dämlich. Und ein anderer wiederum unglaublich klug. Am Ende, wieder in Deutschland, gibt Ellwanger dem Kater, auf den die Nachbarstochter derweil aufgepasst hat, sein Fressen: Fisch oder Herz oder Leber. Ende.

Natürlich, erzählt man auf diese Weise einen Krimi nach, kann man jedes auch noch so hervorragende Meisterwerk nachhaltig diskreditieren. Doch Sibylle Lewitscharoffs Roman plätschert tatsächlich nur so vor sich hin: Der Selbstmord als Aufhänger ist ja längst vollzogen, die eigentliche Spannung damit raus, und das Whodunit als intellektuelles Vergnügen der Schnitzeljagd bleibt in der Schmalspurkategorie stecken. Die Gespräche in den holzvertäfelten Villen mit Blick auf den Central Park wirken bräsig, und dies nicht nur wegen der enervierend kleinteilig beschriebenen Sprachschwierigkeiten Ellwangers, sondern weil die Charaktere außerordentlich eindimensional daherkommen und im Grunde nicht mehr tun, als einige Stichworte abzusondern. Sie gucken geheimnisvoll irgendwohin, um dann hinterm Vorhang zu verschwinden, wo sie auf den nächsten Einsatz warten. Man spürt geradezu dieses Warten der übellaunigen, da unterforderten Statisten. Bis zum Showdown am Ende, der nun wirklich öde ist und gar zu unwahrscheinlich zusammengestöpselt wirkt – gleich danach, man hört es geradezu, nehmen dann alle Protagonisten seufzend ihre Habseligkeiten und trollen sich anämischen Gemüts ins steril beschriebene Treiben New Yorks, froh, dem Debütanten entronnen zu sein.

Nun, Sibylle Lewitscharoff ist natürlich keine Debütantin und vor allem ihr „Apostoloff“ als boshafte Tirade ein Meisterwerk, indes „Blumenberg“ geradezu zärtlich daherkommt und damit zwar einiges an Potential vergibt, dies aber inhaltlich mehr als wettmacht. In ihren Romanen – und ebenfalls in ihrem öffentlichen Wirken – herrscht der Hang zur Provokation und polternd vorgetragener These. Man mag davon halten was man will, in der Literatur jedenfalls funktioniert dieses Poltern zumeist ganz außerordentlich, wird hier der Wunsch zur Revolte doch von einem Sprachwitz durchtränkt, der in der Tat an Thomas Bernhard erinnert.

Doch nichts davon in dem Krimi: Ellwanger, der eventuell noch die starke These hätte vertreten können, bleibt artig und ist mit seinen strategisch gesetzten Ecken sowie Kanten so langweilig wie behäbig-kleinbürgerlich. Dass er, huijuijui, rauchend durch Amerikas Straßen schlendert, ist dann nichts weiter als die sinnlose Trotzgeste eines Charakters, der eigentlich keinen Spaß mehr hat und auch keinen ausstrahlt. Da aber Sibylle Lewitscharoffs Sprachwitz unserer Ansicht nach untrennbar mit dem Spaß an der Grenzübertretung verknüpft ist, bleibt der Krimi eben auch ganz konsequent in dieser Hinsicht auf der Strecke, ist eben keineswegs ein „funkelndes sprachliches Meisterwerk“, wie der Klappentext verkündigt, sondern gewöhnlich und altbacken, selbst in den Beschreibung der amerikanischen Metropole: Da hat der Central Park dann tatsächlich den elenden Schick eines Reihenhausgärtchens in einem Mainzer Wohnprojekt.

Titelbild

Sibylle Lewitscharoff: Killmousky. Roman.
Suhrkamp Verlag, Berlin 2014.
223 Seiten, 19,95 EUR.
ISBN-13: 9783518423905

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