Deutsche Interessen

Oliver Bottini hat sich in eine gute Thriller-Tradition gestellt – „Ein paar Tage Licht“ beweist es erneut

Von Walter DelabarRSS-Newsfeed neuer Artikel von Walter Delabar

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Es gibt Autoren, bei denen man beinahe ungeprüft zugreifen kann, wenn ein neues Buch erscheint. Bei Lesern nennt man das Suchtverhalten, bei Rezensenten vielleicht Faulheit. Denn wenn man vorher weiß, dass man loben wird, tut man sich bei der Lektüre doch etwas leichter. Bei all dem, was es so zu lesen gibt, ist das immerhin eine gute Erholung. Nur mit der Besprechung, die dann zu schreiben ist, wird’s dann von Buch zu Buch ein bisschen schwerer, denn immerhin ist eigentlich schon alles gesagt, was es – in diesem Fall zu Bottini – zu sagen gibt.

Es gibt gute, ja, sehr gute deutsche Thriller, die die erzählerischen und inszenatorischen Standards internationaler Thriller durchaus erreichen, ja, das gute Mittelmaß, das es nunmal in jedem Genre geben muss, deutlich übersteigen. Und denen vor allem eines gelingt – die Darstellung einer Szenerie, das heißt, die Ausstattung und den Plot von der amerikanischen, englischen oder russischen Szenerie auf die deutschen Gegebenheiten zu übertragen.

Keine Frage, die Klassiker des Genres haben sich immer auch Berlin als Schauplatz gewählt. Auch die Bourne-Trilogie greift auf diese Stadt zurück, und „Unkown Identity“ mit Liam Neeson in der Hauptrolle aus dem Jahr 2011 tut dasselbe. Berlin, am Scheidepunkt zwischen westlicher und östlicher politischer Hemisphäre, hat immer noch seine Konjunkturen. Was freilich auf die deutschen Autoren nicht notwendig abstrahlte.

Ausnahmen sind durchaus zu vermelden: Bottini ist wohl die gelungenste. Bereits mit „Der kalte Traum“ und „Jäger in der Nacht“ hat er gezeigt, was in einem deutschen Autor stecken kann. Nicht nur Talent und die Neigung zum Experiment, sondern auch die Kompromisslosigkeit beim Plot, der Konzeption und der Durchführung, vor allem bei den Dialogen und der Führung der Figuren.

Hinzu kommt: die thematische Gediegenheit der Story. Und eine gute Story ist eine Menge wert, denn die wollen wir lesen.

Bottinis Story nun bettet sich in die Diskussion um die außenpolitische Positionierung der Bundesrepublik ein. Die Vorgabe, dass aus der NS-Vorgeschichte Deutschlands deutsche Außenpolitik auf Interessenausgleich und politische Lösung verpflichtet, zudem untrennbar in das westliche Bündnis integriert sei, stehen die wirtschaftlichen Interessen insbesondere der Rüstungsindustrie entgegen, der für ihre Exporte zumindest in der offiziellen politischen Linie enge Schranken auferlegt sind.

Zwischen beiden Linien haben praktische Politik und wirtschaftliche Interessenvertreter immer wieder gangbare Lösungen zu finden, und sei es, indem hochoffizielle Positionen unterlaufen werden. Bottini zeigt dies in seinem Roman am Beispiel Algerien.

Die Bundesrepublik hat demnach im nordafrikanischen Staat ihre wirtschaftlichen und politischen Interessen, die dazu führen, dass auch ein korruptes und pseudodemokratisches Regime wie im Roman-Algerien unterstützt wird, eben auch durch Waffenlieferungen.

Das Konstrukt, das Bottini vorführt, unterstellt nun, dass eine junge Nachfolgeorganisation der FLN versucht, die Oligarchie des Landes zu stürzen, ohne das Land den muslimischen Extremisten in die Hände fallen zu lassen. Ein deutscher Industrieller, der ein Joint Venture besuchen will, wird dazu entführt. Man will von ihm Routen, Zeiten und Sicherheitsvorkehrungen eines Waffentransports erkunden.

Ein an der deutschen Botschaft stationierter Polizist unternimmt nun eigene Recherchen, allerdings eskaliert die Entführung, so dass die geplante Deeskalation misslingt.

Parallel zu dieser in Algerien angesiedelten Linie werden noch weitere Erzählungen verfolgt: Ein junger Algerier reist nach Deutschland, um den Waffentransport abzufangen. Offizielles Reiseziel ist aber sein Großvater, der ehemals selbst FLN-Aktionist war und nun, nach dem Tod des Sohnes in einem FLN-Kerker, seit langen Jahren in Deutschland lebt.

Die Familiengeschichte wird auf diese Weise mit der politischen verwoben. Der alte Mann gehörte der ersten algerischen Fußballnationalmannschaft an, die von der FLN gestellt wurde. Er war mithin selbst ein Freiheitskämpfer, der irgendwann – aus guten Gründen – den Kampf aufgegeben hat. Der Enkel führt ihn nun fort – mit bösem Ende, wie kaum anders zu erwarten ist.

Auch wenn diese Skizze an jene Romane erinnert, die Politik ins Private hin auflösen – in diesem Fall ist die Parallelführung der Geschichten nicht nur gelungen, sie ist auch sinnvoll. Sie gibt dem politischen die konkrete Note, eine Ausstattung, ohne die der Roman möglicherweise doch kalt und konzeptionell überlastet dastehen würde. So aber ist ein Schmuckstück des Thrillergenres deutscher Machart daraus geworden.

Titelbild

Oliver Bottini: Ein paar Tage Licht. Kriminalroman.
DuMont Buchverlag, Köln 2014.
512 Seiten, 19,99 EUR.
ISBN-13: 9783832196608

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