Die Kraft des Aktes

Sabine Poeschel hat mit „Starke Männer – schöne Frauen“ eine für Laien informative Geschichte des Aktes vorgelegt

Von Rolf LöchelRSS-Newsfeed neuer Artikel von Rolf Löchel

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

In der Geschichte der Malerei und der wissenschaftlichen Beschäftigung mit ihr genießt der Akt eine ganz eigene Bedeutung. Das jedenfalls meint die Kunsthistorikerin Sabine Poeschel. Denn an seiner Entwicklung, so erläutert sie, lasse sich besonders deutlich machen, „dass Kunst neue Kunst hervorbringt“. Zudem eigneten sich nur wenige andere Motive in gleichem Maße wie der menschliche Körper dazu, „abstrakte Begriffe durch Kunst zu kommunizieren“. Eben darum sei die Beschäftigung mit ihm eine „unerschöpfliche Quelle der Inspiration“. Keine schlechten Gründe, dem Akt ein Buch zu widmen. Genau dies hat Poeschel getan. Entstanden ist dabei ein für das Laienpublikum in jeder Hinsicht informativer Band, dessen reiche Bebilderung sich durch zahlreiche und ausnahmslos farbige Illustrationen von durchaus ansehnlicher Druckqualität auszeichnet. Dass eine „Übersicht“, wie sie der vorliegende Band „Starke Männer – schöne Frauen“ bietet, „nur verkürzt ausfallen kann“, räumt die Autorin gleich eingangs ein, und es versteht sich eigentlich von selbst.

Doch nicht alle Bilder nackter Menschen lässt Poeschel als Akte gelten. Im Gegenteil: Werde „jede Darstellung des Nackten fälschlich als Akt bezeichnet“, „verunklare“ dies die Bedeutung des Begriffs. Erst die „dezidierte Absicht, das Sujet des nackten Körpers künstlerisch zu gestalten, es zu einem Thema der Kunst zumachen“, erhebe ein Werk zum Akt. „Die anscheinend natürliche Gestaltung des nackten Menschen“ erläutert die Autorin, „entwickelte bestimmte Traditionen, die wiederum Veränderungen herausforderten, sodass eine Geschichte des Aktes entstand“. Die „ältere Kunst“ habe danach gestrebt, „dem Körper eine ideale Form nach zeittypischem Geschmack zu geben“, die Kunst der Gegenwart, hingegen setze ihn als „Medium der Kunst“ ein.

Poeschel stellt die Entwicklung der Aktmalerei anhand „einzelner richtungsweisender Werke“ vor. Selbstverständlich können auch die von ihr mit sicherer Hand ausgewählten Kunstwerke nicht – und schon gar nicht in einem solchen Band – erschöpfend interpretiert werden. So lässt die Autorin etwa in Caravaggios Gemälde „Amor als Sieger“ den markanten Faltenwurf im Tuch unterhalb Cupidos Geschlecht unbeachtet. Derlei aber tut ihrer Interpretation des Bildes ebenso wenig Abbruch wie ihrer Übersicht über die Geschichte des Aktes insgesamt. Poeschels explizites Ziel, „die Geschichte des Aktes in einem lesbaren und überschaubaren Format mit entsprechenden Abbildungen darzulegen, und nicht in einer mehrbändigen Enzyklopädie“, erreicht der Band jedenfalls allemal.

Die Kunst des vergangenen und des gegenwärtigen Jahrhunderts habe das Motiv des Aktes „revitalisiert“, konstatiert Poeschel und wirft abschließend die Frage auf, „welche Aussage heute mit einem Akt überhaupt noch getroffen werden kann“. „Mit Sicherheit werden wir eine überraschende und aufregende Antwort bekommen“ vermutet sie optimistisch – und ganz gewiss auch realistisch. Bis die Kunst ihre Antwort vorlegt, können sich interessierte Laien von Poeschel über die Kunstgeschichte des Aktes und somit über den Weg zu ihr fundiert und konzis belehren lassen.

Titelbild

Sabine Poeschel: Starke Männer – schöne Frauen. Die Geschichte des Aktes.
Verlag Philipp von Zabern, Darmstadt 2014.
160 Seiten, 39,95 EUR.
ISBN-13: 9783805347525

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