Die schwierige Rückkehr der Exilanten

Über Elisabeth de Waals Wien-Roman „Donnerstags bei Kanakis“

Von Oliver PfohlmannRSS-Newsfeed neuer Artikel von Oliver Pfohlmann

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

In Edmund de Waals Familienchronik „Der Hase mit den Bernsteinaugen“ war sie die heimliche Heldin: seine Großmutter Elisabeth de Waal (1899-1991), geborene von Ephrussi. Nach 1945 kehrte die englische Rechtsanwältin in ihre Geburtsstadt Wien zurück und kämpfte zehn Jahre lang um das „arisierte“ Erbe der jüdischen Bankiersfamilie Ephrussi. Was sie dabei an Heuchelei und Hinhaltetaktiken erlebte, verarbeitete die polyglotte Elisabeth de Waal, die mit Rilke, Ludwig von Mises und Eric Voegelin korrespondierte und für das „Times Literary Supplement“ rezensierte, in einem auf Englisch verfassten Roman. Erst nach ihrem Tod entdeckte ihr Enkel das vergilbte Typoskript (neben vier weiteren unbekannten Romanen) in ihrem Nachlass.

„Donnerstags bei Kanakis“ spielt Mitte der fünfziger Jahre, gegen Ende der Besatzungszeit, und handelt von drei höchst unterschiedlichen Remigranten; lange bleibt unklar, wie ihre drei Geschichten zusammenhängen. Da ist der jüdische Medizinprofessor Kuno Adler, der vor Heimweh seine sich an die amerikanische Kultur bestens assimilierende Familie in New York verlässt. Zurück in Wien, kommt er kaum gegen sein allgegenwärtiges Misstrauen an; dabei hält das Reparationsgesetz durchaus, was es verspricht, jedenfalls dem Buchstaben nach: Adler bekommt seine Stelle als Laborassistent zurück und darf nun für einen „vollkommen entlasteten“ Kollegen forschen, der sich als reueloser ehemaliger KZ-Arzt entpuppt.

Da ist Resi, ein höheres Töchterl aus den USA, das als Abkömmling eines Adelsgeschlechtes bei der Wiener Verwandtschaft das nötige Standesbewusstsein erwerben soll. Stattdessen verirrt sich das verträumt-weltfremde Geschöpf im Dickicht von Illusionen und Intrigen und wird das Opfer eines Playboy-Aristokraten. Theophil Kanakis schließlich ist ein griechisch-amerikanischer Multimillionär, der nur aus einem Grund in die Stadt seines Vaters zurückkehrt: Um sich dort zu „amüsieren – so wie man sich nur in Wien amüsieren kann!“

In seiner Mischung aus skrupelloser Dekadenz und unbeschwertem Hedonismus ist der bisexuelle Kanakis die interessanteste Figur des Romans und hat auch keine Probleme mit Arisierungsgewinnern wie dem Immobilienmakler Traumüller („Ich habe die Bilder im Auktionshaus erworben, ebenso wie die meisten Sachen, die Sie in diesem Raum sehen. Alles ganz offen, offiziell und legal, sehen Sie.“). Manch papierenem Dialog und klischeehafter Figur zum Trotz bietet Elisabeth de Waals Roman eine reizvolle Lektüre, aber weniger, weil er beschreibt, „was es bedeuten könnte, aus dem Exil zurückzukehren“, wie Edmund de Waal glaubt (das dürfte nur auf Kuno Adler zutreffen). Sondern weil er ein atmosphärisch dichtes, schonungsloses Porträt der altösterreichischen Adelsgesellschaft nach dem Krieg zeichnet: Deren nach dem Krieg verarmten Mitglieder, die sich untereinander mit Fini, Poldo oder Franzi anreden, klammern sich mehr denn je an ihre, jedes Tun und Urteil imprägnierende Herkunft, üben sich in kollektiver Geschichtsverdrängung und sind zugleich bereit, sich, wie der junge Fürst Lorenzo „Bimbo“ Grein-Lauterbach, für den Erhalt ihres Schlosses zu prostituieren.

Titelbild

Elisabeth de Waal: Donnerstags bei Kanakis. Roman.
Übersetz aus dem Englischen von Brigitte Hilzensauer.
Paul Zsolnay Verlag, Wien 2014.
336 Seiten, 19,90 EUR.
ISBN-13: 9783552056725

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