Antizyklisch und lesenswert

Marge Piercys großartiger Roman über den Zweiten Weltkrieg in einer Neuauflage

Von Rolf LöchelRSS-Newsfeed neuer Artikel von Rolf Löchel

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Angesichts des hundertsten Jahrestages seines Ausbruchs ist der Erste Weltkrieg nicht erst seit Jahresbeginn in allen Gazetten und in aller Munde. Da mutet es geradezu antizyklisch an, dass der Argument Verlag mit Marge Piercys Roman „Gone to Soldiers“ ausgerechnet im Jahr 2014 einen Buch über den Zweiten Weltkrieg neu auflegt. Dennoch hat er wohl daran getan. Denn man kann dieses Buch jenseits aller Jahrestage und Tagesmoden lesen. Ja man sollte es tun. Denn die auch hierzulande durch Romane wie „Stufen aus Glas“, Sehnsüchte“ und vor allem ihre Science-Fiction-Werke „Frau am Abgrund der Zeit“ und „Er, Sie und Es“ bekannte Autorin Marge Piercy bietet in dem vorliegenden Buch all das, was große und großartige Romane nur bieten können: Ein breit angelegtes gesellschaftliches Panorama – genauer gesagt, eines des Zweiten Weltkrieges – und lebendige Charaktere voller Tiefgang. Das eine geprägt von historischen Entwicklungen, die anderen von persönlichen, wobei Piercy es hervorragend versteht, alles und alle mit allem und jedem zu verknüpfen. Denn der Ausbruch des Krieges hat gravierende Folgen für die ProtagonistInnen diesseits und jenseits des Atlantiks und im fernen Pazifik. Alle nehmen sie auf irgendeine Art Teil an ihm, sei es als Soldat, als Partisanin in der Résistance oder indem sie Nachrichten dekodieren. Rückblenden gewähren zudem Einblicke in die Vergangenheit mancher der Figuren.

So bringt denn auch der deutsche Titel „Menschen im Krieg“ die Sache, das heißt den Inhalt ebenso treffend auf den Punkt wie der des amerikanischen Originals „Gone to Soldiers“, was bekanntermaßen durchaus nicht immer der Fall ist. Man könnte den Verlag also vorbehaltlos für die Neuausgabe des Buches preisen, gebe es da nicht doch einen kleinen Makel. Er betrifft nicht den Inhalt, sondern die Form des Buches.

Denn gerade, weil man es immer und überall lesen sollte, sollte man es auch immer und überall lesen können, und eben dem erweisen sich das große Format und das Gewicht der vorliegenden Hardcover-Ausgabe nicht zuträglich. Mag sie auch noch so repräsentativ sein, lesefreundlich ist sie nicht. Dabei hat der Verlag mit der früheren Taschenbuch von 1995 und einer 2006 erschienenen handlichen Hardcover-Ausgabe gezeigt, dass es durchaus auch anders geht. Nebenbei bemerkt war noch letztere für kaum mehr als die Hälfte des Preises der nunmehrigen Ausgabe zu bekommen.

Gleichwohl ist die Neupublikation von Piercys opus magnum höchst erfreulich. Ebenso erfreulich wäre jedoch auch, wenn sich der Argument Verlag – oder gerne auch ein anderer – dazu entschließen könnte, sich eines der zahlreichen bislang noch nicht ins Deutsch übersetzten Werke anzunehmen. Zu denken wäre etwa an das in den letzten Jahren erschienene Buch „The Third Child“ oder den historischen Roman „Sex Wars“ um die außergewöhnliche Feministin Victoria Woodhull, die im 19. Jahrhundert ihren Lebensunterhalt bestritt, indem sie sich prostituierte, und die als erste Präsidentschaftskandidatin der USA für Aufruhr sorgte – lange bevor das Land seinen Bürgerinnen das Wahlrecht gewähren sollte. Allemal eine Übersetzung Wert wäre übrigens auch Marge Piercys wunderbare Autobiografie „Sleeping with Cats“.

Titelbild

Marge Piercy: Menschen im Krieg. Gone to soldiers.
Argument Verlag, Hamburg 2014.
1000 Seiten, 37,00 EUR.
ISBN-13: 9783867544009

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