Der Zen-Bau zu Rensen

Christoph Peters’ Roman „Herr Yamashiro bevorzugt Kartoffeln“ spielt gekonnt mit Klischees

Von Sandra FriehlinghausRSS-Newsfeed neuer Artikel von Sandra Friehlinghaus

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

In Rensen sind die Japaner los. In dem beschaulichen Ort soll ein Ofen gebaut werden. Aber nicht irgendeiner, sondern ein japanischer Anagama, der zur Herstellung besonders hochwertiger Töpferware benötigt wird. Auf der Inhaltsebene ist der Roman „Herr Yamashiro bevorzugt Kartoffeln“ von Christoph Peters damit schon im Groben zusammengefasst. Es geht aber um mehr als nur um den Bau eines Ofens, sondern vielmehr um das Zusammentreffen zweier völlig unterschiedlicher Kulturen, welches amüsant und unterhaltsam erzählt wird.

Die deutsch-japanische Freundschaft reicht lange zurück. Das wird im Roman immer wieder betont – vor allem vom Ofenbaumeister Yamashiro, der trotz seines fortgeschrittenen Alters den Ofenbau in Deutschland höchstpersönlich leitet. Yamashiro erinnert allerdings an eine eher negative Allianz der beiden Staaten: an das Bündnis während des Zweiten Weltkrieges. Alte Traditionen und Verbindungen spielen in diesem Roman eine große Rolle. So verbindet die beiden Kulturen auch ein altes Versprechen des verstorbenen Töpfermeisters Hidetoshi, das er dem deutschen Philosophen Erwin Hesekiel gab: einen Anagama-Ofen in Deutschland bauen zu lassen, sobald sich ein würdiger Töpfermeister finde. Als ein solcher stellt sich schließlich Ernst Liesgang heraus, der in Japan in die Töpferlehre ging. Im beschaulichen Örtchen Rensen in Deutschland erregt der Bau des Ofens Neugier. Selbst die Medien sind interessiert, zumal Yamashiro mitsamt seiner eigenen Köchin und deren Familie anreist und der Meister sich auch sonst wie ein König aufführt. Zeitlich springt der Roman immer zwischen dem gegenwärtigen Ofenbau und Liesgangs Lehrzeit in Japan hin und her.

„Herr Yamashiro bevorzugt Kartoffeln“ ist Christoph Peters’ dritter Roman, der sich dem kulturellen Aufeinandertreffen von Japan und Deutschland widmet. Selbst in Japan gewesen ist der Autor und Maler nach eigenen Angaben jedoch nicht. Bewusst spielt er gerade vor diesem Hintergrund gekonnt mit Klischees. Schon der Titel des Romans zitiert das Vorurteil, dass die Deutschen bevorzugt Kartoffeln essen. Die Vermischung dieser Vorliebe mit einem japanischen Namen macht nicht nur die Irritation perfekt, sondern zeigt auch gleichzeitig, worum es im Roman geht.

Der gut vorbereitete Filmemacher Gerber meint zudem die japanische Töpferkunst zu verstehen, nur weil er das Buch Hesekiels über Hidetoshi gelesen hat. Darüber hinausgehendes Wissen besitzt von den deutschen Figuren jedoch nur Liesgang. Mit derselben Naivität, mit der er sich dem Thema theoretisch nähert, versucht der Filmemacher auch seinem Publikum ein bestimmtes Bild vom japanischen Ofenbau in praxi zu vermitteln, das aber nicht der Realität auf der Baustelle entspricht; so schlägt er vor: „Wenigstens von den Gesten, von den Bewegungen her könnte es ein bißchen… Wie soll ich sagen… Es könnte würdevoller rüberkommen. Daß man gleich spürt, eben ohne daß es dafür nachher einen Kommentartext braucht: Hier entsteht etwas Besonderes, etwas geistig und spirituell Hochrangiges.“ Doch Herr Yamashiro arbeitet ohne jegliche Feierlichkeit und ohne spirituelle Rituale. Er baut eben einen Ofen!

Auch die Erwartung der Deutschen an Yamashiro, ständig japanische Lebensweisheiten zum Besten zu geben, wird enttäuscht. Peters hingegen durchzieht seinen gesamten Roman mit eingeschobenen, häufig fast philosophisch anmutenden Sätzen wie „Ganz gleich, an welcher Stelle man anfängt – immer ist vorher schon viel passiert“ und spielt mit diesem raffiniert eingesetzten stilistischen Mittel auf die Annahme seiner deutschen Romanfiguren an, Japaner seien wandelnde Aphorismensammlungen.

Das Filmteam, das den Ofenbau dokumentieren soll, hat im Roman die Funktion, genau diejenigen Fragen zu stellen, die auch den Leser als Japan-Laien interessieren würden. Ernst Liesgang tritt indes als Vermittler zwischen beiden Kulturen auf. Peters legt ihm in der Regel die Erklärungen in den Mund, da Liesgang schließlich derjenige ist, der nicht nur der japanischen Sprache mächtig ist, sondern auch die fremde Kultur begreift. Was nicht Liesgang in wörtlicher Rede erklärt, übernimmt der auktoriale Erzähler.

Peters beschreibt den Einfluss, den beide Kulturen aufeinander haben. Liesgang ist von seinen Erfahrungen in Japan geprägt und übernimmt ein Stück der japanischen Kultur in sein Leben in Deutschland. Dies wird immer wieder in den Dialogen deutlich, aber auch in simplen Sätzen wie „Ernst kicherte wie ein Japaner.“ Yamashiro entdeckt im Gegenzug seine Vorliebe für deutsches Essen und deutschen Schnaps. Ob diese auch noch auf sein weiteres Leben in Japan Einfluss hat, bleibt jedoch offen. Zudem werden Probleme durch die kulturellen Unterschiede ebenso behandelt wie die Annäherungen. Das Sprachproblem rückt zunehmend in den Hintergrund. Es sind vielmehr die unterschiedlichen Verhaltensweisen, die mitunter zu Missverständnissen und zu für den Leser lustigen Textpassagen führen.

Lässt sich der Leser auf diese fremde Thematik ein, beschert ihm die Lektüre des Romans ein kurzweiliges und unterhaltsames Lesevergnügen.

Ein Beitrag aus der Redaktion Gegenwartskulturen der Universität Duisburg-Essen

Titelbild

Christoph Peters: Herr Yamashiro bevorzugt Kartoffeln. Roman.
Luchterhand Literaturverlag, München 2014.
224 Seiten, 18,99 EUR.
ISBN-13: 9783630874111

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