Zwei alte Männer, Elin und das Meer
Johan Bargums kleines Buch „Septembernovelle“ in deutscher Übersetzung
Von Christof Rudek
Besprochene Bücher / LiteraturhinweiseEs ist September, die Segelsaison ist eigentlich vorüber, doch zwei ältere Männer fahren noch einmal hinaus zu einem letzten spätsommerlichen Törn durch das südfinnische Schärengebiet. Sie haben sich seit zwanzig Jahren nicht gesehen, Freunde waren sie ohnehin nie. Nur sind sie beide mit der gleichen Frau verheiratet gewesen, zuerst Harald, dann Olof, bis zu Elins Unfalltod vor einem Jahr. Aber vielleicht war das auch überhaupt kein Unfall, sondern Selbstmord, und vielleicht ist diese Ungewissheit der Grund, weshalb sich die beiden Männer nun wiedersehen.
Vieles bleibt ungewiss in diesem kleinen, um die Themen Liebe, Abschied, Tod, Erinnerung und Schuld kreisenden Buch. Das gehört zu seinem ästhetischen Programm und liegt an seiner erzähltechnischen Struktur: Der erste Teil besteht aus einer Art Verhörprotokoll: Olof wird von der Polizei befragt, denn Olof ist allein von dem Segelausflug zurückgekehrt. Harald ist verschollen, und in seinem Rucksack fand sich ein längerer, kurz vor seinem Verschwinden verfasster autobiographischer Text, der den zweiten Teil des Buches bildet. Zwei Erzähler also, von denen mindestens einer unzuverlässig sein muss, denn beide Teile widersprechen sich in einigen Punkten erheblich.
Johan Bargum, 1943 in Helsinki geboren, gehört zu den prominenteren finnischen Autoren. Seine Romane, Erzählungen, Theaterstücke, Drehbücher und Hörspiele haben auch außerhalb seiner Heimat eine gewisse Resonanz gefunden – so auch in Deutschland, wo zuletzt 2009 das Kinderbuch „Der erste Schnee“ herauskam. „Septembernovelle“ erschien 2011 in Helsinki – auf Schwedisch, denn der Autor gehört der schwedischsprachigen Minderheit in Finnland an.
Bargum gelingt es hier durchaus, Spannung zu erzeugen und für seine beiden eigentlich nicht besonders bemerkenswerten Protagonisten zu interessieren. Einen bleibenden Eindruck vermag das Buch allerdings kaum zu hinterlassen. Das liegt einerseits an der recht skizzenhaft bleibenden Psychologie der Figuren, andererseits daran, dass am Ende wohl doch etwas zu viele Fragen offenbleiben: Von wem ging die Initiative zu der Segelfahrt aus und aus welchem Grund? Warum hatte Harald eine Pistole dabei? Wollte er Olof ermorden? Hat Olof Harald ermordet? Oder hat der bereits schwer kranke Harald Selbstmord begangen? Wollte er durch seinen Text den Verdacht auf Olof lenken? Und hat Elin sich das Leben genommen oder war es wirklich ein Unfall? Überhaupt bleibt Elin in ihrer antiquiert anmutenden Religiosität eine schwer fassbare Gestalt – für die beiden Männer wie für den Leser. Sehr schön ist allerdings, wie es Bargum versteht, die Bedeutung all dieser Fragen und menschlichen Angelegenheiten immer wieder durch die mit wenigen Strichen evozierte Atmosphäre der spätsommerlichen Natur auf indirekte Weise zu relativieren.
Ein Beitrag aus der Komparatistik-Redaktion der Universität Mainz
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