Mythos Karl

Zwei Hörbücher nähern sich dem Vater Europas

Von Jasmin M. HlatkyRSS-Newsfeed neuer Artikel von Jasmin M. Hlatky

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

In einem umfangreichen Hörbuch mit ausführlichem Booklet versucht zunächst Elke Bader, das Phänomen Karls des Großen näher zu beleuchten. Ausgehend von den Mythen um seine Geburt, um seine Mutter Bertrada von Laon (Bertrada mit dem großen Fuß) und um seinen umstrittenen Geburtsort, ist bei so viel Ausführlichkeit schon bald der erste Exkurs vonnöten. So ergeben sich zahlreiche äußerst detaillierte Seitenwege, in die der von Heiner Heusinger gelesene Hörtext abweicht und die die politischen Verhältnisse zur Zeit Karls illustrieren. Sogar die Legenden, die sich um das Leben des Herrschers ranken, kommen nicht zu kurz, auch wenn hier das Hörbuch bisweilen etwas in Richtung Mittelalter-Kitsch abzurutschen droht. Stellenweise erscheint der Text etwas zu sehr ausgeschmückt und auch ein wenig zu sehr mit Metaphern besetzt („Widukind war ein Wolf…“). Immerhin tragen die zahlreichen Exkurse zur Historie der Franken, Karolinger und Sachsen dazu bei, die Bedeutung von Karls Herrschaft eindrucksvoll zu verdeutlichen, auch wenn sich Elke Bader hierbei etwas zu stark an Einharts Vita Karoli Magni hält. Die Erläuterung, dass es sich bei den glorifizierenden Passagen um Zitate aus der historischen Karlsvita handelt, erfolgt dabei oft etwas zu sehr im Nachhinein, auch wenn dann stellenweise sogar eine Gegenposition präsentiert wird. Dies geschieht aber zu zaghaft und zu punktuell – Karls rigoroses Vorgehen gegen die Sachsen, sein dauerhafter Konflikt mit den Langobarden und seine historisch nachgewiesene Grausamkeit in der Kriegsführung bleiben dezent im Hintergrund, vor allem werden seine Wichtigkeit und Größe betont. Und so detailliert auf die dynastischen Verquickungen zu Karls Lebzeiten verwiesen wird, so abrupt endet schließlich das Hörbuch mit Karls Tod. Es bleibt ein Hauch von Hagiographie.

Iris Wiegand nähert sich dem Phänomen Karls zielstrebig vom Dom zu Aachen aus. „Wie groß war Karl der Große?“ bildet hier die Eröffnung für eine bunte Collage aus Expertenstimmen, Zitaten und Erläuterungen, immer zentriert auf und thematisch zurückkehrend zum Aachener Dom und der Geschichte dieser Pfalz. Auch hier werden natürlich die zahlreichen Legenden bemüht (der Teufel als Geldgeber für die Dombauarbeiten), und auch hier finden sich lange Zitate aus Einharts Karlsvita. Durch die wechselnden Sprecherstimmen jedoch gelingt in diesem Hörbuch die akustische Zuordnung zur historischen Quelle leichter für den Zuhörer. Auch werden die jeweiligen Einschübe direkt im Anschluss sehr kritisch beleuchtet. Besonders diese Kommentare hinterfragen und setzen deutlich kritische Noten. Die verschiedenen Expertentöne machen das Hörerlebnis abwechslungsreich und authentisch, man hat etwa tatsächlich das Gefühl, von einem Kunsthistoriker durch den Dom geführt zu werden und den Thron gezeigt und die Architektur erläutert zu bekommen. Die Varietät der Darstellung macht bei aller Kürze klar, wie schwierig es ist, sich überhaupt einem so überlebensgroßen Phänomen wie Karl zu nähern. Ob allerdings Heribert Illig mit seiner Theorie des erfundenen Mittelalters notwendig gewesen wäre, um die schwierige Quellenlage zu verdeutlichen, bleibt dahingestellt. Das Booklet hätte gerne ausführlicher sein können – außer ein paar Sprechernamen ist hier wenig abgebildet, nicht mal eine Kapiteleinteilung.

Ein Beitrag aus der Mittelalter-Redaktion der Universität Marburg

Titelbild

Elke Bader: Karl der Große – Charlemagne. Kaiser des römischen Reichs.
GRIOT Hörbuchverlag, Riezlern 2011.
2 CDs, 14,90 EUR.
ISBN-13: 9783941234246

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Iris Wiegandt: Karl der Große [Tonträger]. der Kaiser, der Dom und die Krone.
Verlag Audiobuch, Freiburg 2013.
1 CD (53 Min.) , 14,00 EUR.
ISBN-13: 9783899647594

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