Nun auch der Killy
Vom Wachsen der "Digitalen Bibliothek"
Von Alexander Berger
Besprochene Bücher / LiteraturhinweiseEin Standardlexikon der Literaturwissenschaft nach dem anderen wird digital aufbereitet zur Verfügung gestellt. Das läßt die Zeiten als lange zurückliegend erscheinen, in denen Karteikarten und Microfiches state of the art in Bibliotheken waren. Nostalgie kommt jedoch nicht auf, fängt man mit dem digitalen Killy zu arbeiten an. Die CD-ROM bietet zwar nicht mehr als die Druckfassung, von Korrekturen und kleineren Ergänzungen abgesehen. Doch ist das Lexikon in der einen wie der anderen Form ein vorzügliches Nachschlagewerk der deutschsprachigen Literatur.
Allein das Sachlexikon bietet knapp 300 Artikel zu grundlegenden Begriffen, Realien und Methoden. Sie sind, genau wie die ca. 7500 Autorenportraits, weitgehend von guter Qualität. Erfreulich ist der weite Literaturbegriff, der dem Werk zu Grunde liegt. Die Herausgeber öffnen, in Walter Killys Worten, "prachtvolle Gemächer und stille Kammern, Räume zur Andacht" der deutschsprachigen Literatur. In den unteren Stockwerken dieses Schatzhauses finden erfreulicher Weise aber auch Gemälde von Autoren wissenschaftlicher oder zeitgeschichtlich bedeutendsamer Prosa Platz.: neben Martin Heidegger, Wilhelm Reich und Karl Marx sogar Konrad Adenauer. Das Scrollen durch den Inhaltsbaum weckt Staunen über die Fülle der berücksichtigten Autoren und führt die Beschränktheit des eigenen Wissens vor Augen: Namen über Namen, von denen viele unbekannt oder in Vergessenheit geraten sind.
Die digitale Ausgabe ermöglicht mehr, als Autoren nachzuschlagen. Hier kann gezielt nach Autoren eines bestimmten Jahrgangs, Geburtsortes oder derlei mehr gesucht werden. Es sind vor allem diese Suchmöglichkeiten, die überzeugen - hat man das Suchprogramm erst einmal verstanden. Ist diese Hürde überwunden, läßt sich z.B. eine Liste aller zwischen 1933 und 1945 verstorbener Autoren erstellen und diese anhand weiterer Stichworte eingrenzen.
Der praktische Nutzen der CD-ROM ist groß, zumal sie es vielen erst jetzt preislich wie räumlich ermöglicht, sich das vierzehnbändige Literaturlexikon ins Regal zu stellen. Ein kleiner Wermutstropfen ist die fehlerhafte Seitenkonkordanz zur gedruckten Ausgabe. Ausgerechnet bei der korrekten Zitation muß im Zweifelsfall doch auf die Druckfassung zurückgegriffen werden.