Vorbemerkung

Literaturpreise, ihre Inszenierung und Medialisierung sind wahrscheinlich die wirkmächtigste Form, Literatur in die Öffentlichkeit zu tragen – ohne sie lesen zu müssen. Preise machen Autoren, bekannte wie weniger bekannte, zu öffentlichen Personen. Deren Autorität liegt dann jenseits literarischer Autorschaft; die öffentliche Person steht außerhalb des Schutzraums der fiktionalen Literatur – das hat Sibylle Lewitscharoff erfahren, die als Büchner-Preisträgerin kritischer gehört und beurteilt wurde denn zuvor als Autorin.

Der Literaturpreis als Ritual der Autor-Metamorphose und das Preisgeschehen als eigene ‚Blase‘ innerhalb des Literaturbetriebs haben 2007 schon Thomas Glavinic (Das bin doch ich) beschäftigt, der sich am Erfolg von Daniel Kehlmann abarbeitete. Nun treibt er auch Marlene Streeruwitz zu neuen Varianten der Autofiktion (Nachkommen.). Beide Autoren huldigen dem Deutschen Buchpreis, dem jüngsten Preis der großen und bekannten Preise im deutschsprachigen Raum mit dem stärksten Einfluss auf den Markt, nicht nur der Übersetzungslizenzen; zugleich dem ersten deutschen Literaturpreis, dem eine umfassende mediale Inszenierung gelingt – weit über den Klagenfurter Ingeborg-Bachmann-Preis hinaus, dessen Nachhaltigkeit zu diskutieren wäre. Im Nachbarland Frankreich ist das Preisgeschehen schon lange Teil des kulturellen Lebens, in England ist der Booker-Preis in aller Munde und wird ebenfalls literarisch portraitiert (bei St. Aubyn: Der beste Roman des Jahres). Die Realität belohnt solcherart literarische Selbstreferenzialität allerdings so wenig wie im Falle Glavinics oder Streeruwitz‘ – auch St. Aubyn bekam nicht den Booker-Preis, sondern nur den Bollinger Everyman Wodehouse-Preis für humoristische Literaten.

Solche kuriosen, randständigen oder sehr speziellen Literaturpreise finden sich auch in Deutschland; sie tragen, obwohl oft nur gering dotiert oder rein regional beachtet, zur Diversifikation des hiesigen literarischen Feldes bei, auch wenn nur wenigen Neustiftungen so erstaunliche Preis-Karrieren gelingen wie dem vergleichsweise jungen Walter Hasenclever-Preis der Stadt Aachen, der in diesen Tagen an Michael Köhlmeier verliehen wird, und der bereits mehrere Nobelpreisträger kürte – avant la lettre. Es sieht sogar so aus, als seien Zahl und Variationsbreite von Literaturpreisen ein Spezifikum der deutschsprachigen Literaturlandschaft nach 1989 geworden.

Grund genug für die Redaktion der Gegenwartskulturen, den Literaturpreisen einen Schwerpunkt in dieser Novemberausgabe zu widmen.

Die Redaktion „Gegenwartskulturen“

Ein Beitrag aus der Redaktion Gegenwartskulturen der Universität Duisburg-Essen