Zerrspiegel

Ein Sammelband über den umstrittenen Vergleich zwischen Antisemitismus und Islamophobie

Von Sylke KirschnickRSS-Newsfeed neuer Artikel von Sylke Kirschnick

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Seit den Wunderkammern der Renaissance sind Spiegel bekannt, die das Dargestellte optisch verzerrt wiedergeben. Großes erscheint klein, Kurzes lang, Breites schmal und umgekehrt. Solche, in der Forschung weniger harmlose, langfristig folgenreiche Effekte erzielt, wer ein relativ junges, theoretisch, empirisch und analytisch noch kaum erschlossenes Phänomen wie die Feindseligkeit gegen Muslime und den Islam vor ein historisch zwar jeweils spezifisches und ungeheuer wandlungsfähiges, aber bereits seit Jahrtausenden bekanntes Phänomen wie die Judenfeindschaft stellt, um das eine im anderen sichtbar zu machen und zu reflektieren. Seit das Zentrum für Antisemitismusforschung im Dezember 2008 unter seinem damaligen Leiter, dem verdienstvollen Historiker Wolfgang Benz, die Tagung „Feindbild Muslim – Feindbild Jude“ veranstaltete, lebte die Debatte um die Frage, ob es sinnvoll ist, Antisemitismus und ‚Islamophobie‛ beziehungsweise Muslim- oder Islamfeindlichkeit zu vergleichen, gelegentlich wieder auf. Im Vorfeld wie im Anschluss hatte die Tagung des ZfA sowohl kritische Einwände als auch Zustimmung geerntet. Zu einer direkten Kontroverse zwischen Veranstaltern und Kritikern, die vielleicht manche Unstimmigkeit aus dem Weg hätte räumen können, kam es bedauerlicherweise nicht.

Der vom Moses Mendelssohn Zentrum herausgegebene vorzügliche Tagungsband „Islamophobie und Antisemitismus – ein umstrittener Vergleich“ holt das Versäumte ein wenig nach. Zu Wort kommen unter anderem Befürworter, Kritiker und entschiedene Gegner des Vergleichs. Im Zentrum vieler Beiträge steht die Frage nach den Begriffen, ihrem Gehalt und ihrer Tauglichkeit, die Phänomene theoretisch, analytisch und empirisch zu erfassen. Einigkeit herrscht darüber, dass nach 9/11 muslimfeindliche Ressentiments und Gewalt (wie Friedhofs- und Moscheeschändungen, Mord an Marwa el-Sherbini) ernst zu nehmende Probleme sind. Uneins sind die Autor/innen in der Frage, ob der Vergleich beider Phänomene der Erkenntnis förderlich ist.

Die Beiträge von Micha Brumlik und Juliane Wetzel bejahen dies uneingeschränkt. Micha Brumlik bietet einen differenzierten Abriss historischer und aktueller Judenfeindschaft unter Verweis auf den „Zivilisationsbruch“ der Shoah. Die semantische Kongruenz beziehungsweise Ähnlichkeit, die er in Äußerungen des Historikers Heinrich von Treitschke, Thilo Sarrazins und Helmut Schmidts konstatiert, lässt sich nicht bestätigen. Berücksichtigt man die Begriffe, ihren Gebrauch und ihre Kontexte, dann sind ‚Vermischung‛ beziehungsweise ‚Assimilation‛ und ‚Integration‛ nicht das gleiche. Integration kann als Anerkennung einer Rechtsnorm (unter anderem des Grundgesetzes) verstanden werden und muss nicht soziokulturelle Angleichung bedeuten.

Sarrazins biologistisch-rassistisches Konzept spricht Einwanderern aus muslimisch dominierten Ländern Willen und Fähigkeit zur sozialen Mobilität ab. Treitschke dagegen fürchtete nicht nur die Konkurrenz durch angeblich kulturell inkompatible, aufstiegswillige jüdische Einwanderer aus Osteuropa, sondern unterstellte ihnen verschwörungstheoretisch, ein beherrschender Machtfaktor in Medien, Wirtschaft und Politik zu sein oder werden zu wollen. Sarrazin und Schmidt nehmen Muslime beziehungsweise die, die sie dafür halten, als Kosten- und Kriminalitätsfaktor im Billiglohnsektor und im Sozialsystem wahr. Schmidt fürchtet überdies den Import lokaler Konflikte und die Aushöhlung von Rechtsnormen durch konkurrierende Rechtspraktiken. Schmidt äußert sich fremdenfeindlich, aber weder – wie Sarrazin – rassistisch-biologistisch noch primär islam- oder muslimfeindlich. Andernfalls könnte er unmöglich feststellen, dass, wie es im von Brumlik angeführten Zitat heißt, „viele Moslems tatsächlich integriert sind.“ Obschon Micha Brumlik Recht hat, die rassistisch-biologistische Sicht Sarrazins zu verurteilen und die fremdenfeindliche Argumentation des Altkanzlers zurückzuweisen, am Ende bleibt die „Strukturidentität von Antisemitismus im späten Kaiserreich und heutiger Islamophobie“ eine weder begrifflich konturierte noch empirisch belegte These.

Auch die Positionen aus Wissenschaft und Publizistik, die Juliane Wetzel in ihrem Beitrag kompiliert, vermögen die Strukturanalogie-These nicht zu erhärten. Die manchmal zu selektive und kontextfreie Beispielargumentation ist nicht unproblematisch. Überwiegend zieht die Autorin Quellen und Studien heran, die ihre Thesen bestätigen. So vollzieht sie gerade das, was sie selbst kritisiert: sie homogenisiert. Indem sie lediglich konservative muslimische Stimmen wie Aiman Mazyek als repräsentativ für deutsche Muslime zitiert, reduziert sie die in Deutschland tatsächlich vorhandene breite Vielfalt an unterschiedlichen muslimischen Positionen. Umgekehrt rezipiert sie neben dezidiert islam- beziehungsweise muslimfeindlichen Positionen ein paar, keineswegs gegen Muslime als solche und nicht eindeutig gegen den Islam als solchen, wohl aber gegen den Islamismus gerichtete nicht-muslimische Positionen konservativer Provenienz. So teilt sie das Feld dichotomisch in den konservativen Freund auf der einen und den rechtsextremen und rechtspopulistischen sowie konservativen Feind auf der anderen Seite. Ferner suggeriert die Autorin Symmetrien und Äquivalenzen sowohl zwischen Antisemitismus und Muslimfeindschaft als auch zwischen Judentum und Islam, die es nicht gibt. Ausgeblendet bleiben Fakten wie die Expansions- und Eroberungsgeschichte des historischen Islam respektive seiner Dominanz in der MENA-Region.

Doch gerade dieser Aspekt macht den Islam eher mit dem ebenfalls missionierenden Christentum, seinen Eroberungen und mörderischen Kreuzzügen vergleichbar, nicht aber mit dem Judentum. Denn das ist nur in Israel und erst seit 1948 in einer Mehrheitsposition. Unberücksichtigt bleiben ferner die auf http://www.memritv.org/ abrufbaren islamistischen Welteroberungsbekundungen respektive Vernichtungsfantasien gegenüber den Juden und Israel. Dergleichen hat im Judentum kein Pendant. Unterstellen Muslimfeinde Muslimen als Gruppe solche islamistischen Welteroberungsaspirationen, dann handelt es sich um ein generalisierendes Vorurteil. Die Terroranschläge und Selbstmordattentate, wie sie von Islamisten seit 9/11 weltweit begangen werden, haben trotz des im Beitrag angeführten Attentats von Baruch Goldstein in Hebron, trotz der, das wäre zu ergänzen, unter anderem historischen Terrorgruppe Irgun, der immer isoliert gewesenen Kach-Partei und trotz aktueller Fundamentalismen auf israelischer Seite kein Äquivalent. Denn es handelte sich um lokal operierende, auf einen konkreten und geografisch eingrenzbaren Konflikt bezogene Terrorakte und Akteure. Islamisten operieren dagegen überwiegend global und dezidiert antiwestlich, die Hamas zwar ebenfalls lokal, dafür aber mit einer bislang ungebrochenen Vernichtungsagenda gegen Israel.

Aus diesem Grund besteht auch keine Analogie zwischen der bekannten antisemitischen Rothschild-Karikatur von 1898 und der im Beitrag beschriebenen Karikatur auf der rechtsextremen Internetseite „Grüne Pest“. Die beiden dort abgebildeten, einen Globus haltende Frauen tragen einen Niqab, einen Gesichtsschleier, der wie die Burka als Vollverschleierung gilt. Im öffentlichen Raum einiger muslimisch dominierter Länder ist er ebenso teils umstritten, teils verboten wie in einigen europäischen. Nur weil die „Grüne Pest“, der Name ist sprechend, erklärtermaßen alle Muslime und den Islam als solchen bekämpft, ist die Botschaft, die das Portal verbreitet, eindeutig muslim- und islamfeindlich. Diese Eindeutigkeit verliert die Botschaft ohne ihren konkreten Akteur. Es gibt in Deutschland neben streng gläubigen und konservativen eben auch säkulare und liberale Muslime, es gibt ferner Agnostiker, Atheisten und Nicht-Muslime aus muslimisch dominierten Ländern. Würde die Karikatur, so wie sie von Juliane Wetzel beschrieben wurde, von säkularen Muslimen, Ex-Muslimen und Nicht-Muslimen aus der MENA-Region (=Middle East & North Africa) verwendet, wäre sie entweder Kritik am Islamismus, der die muslimisch dominierten Länder mit seinem Absolutheits- und Weltherrschaftsanspruch faktisch ebenso bedroht wie die nicht-muslimische, oder aber Religionskritik. Erst die Anerkennung der Heterogenität von Muslimen und von Menschen, die ihre Herkunft in muslimisch dominierten Ländern haben, erlaubt es, die Feindschaft gegen Muslime von der Kritik am Islamismus und von Religionskritik zu unterscheiden. Bleibt das Resümee, dass die beschriebene Karikatur keine Äquivalenz zur Rothschild-Karikatur aufweist. Denn der Islamismus ist Fakt und keine Verschwörungstheorie. Erst der Kontext – das Internetportal die „Grüne Pest – und nicht schon die Darstellung klärt, dass es sich in diesem speziellen Fall um Feindseligkeit gegen Muslime und Islam handelt.

Armin Pfahl-Traughbers Beitrag trägt der Heterogenität der Muslime, der Ex-Muslime und der Nicht-Muslime aus der MENA-Region Rechnung. Der Autor, der sich in der Debatte schon früher zu Wort gemeldet hatte, attestiert dem Islamophobie-Konzept, aber auch dem Begriff der „Islamfeindschaft“ mangelnde „Trennschärfe“ und fehlendes „Differenzierungsvermögen“. Er schlägt den Begriff des „Antimuslimismus“ oder alternativ der „Muslimenfeindlichkeit“ vor, um Ressentiments gegen Muslime als Muslime adäquat zu erfassen. Das Konzept erlaubt es, zwischen der „Ablehnung des Islam“ und der „Ablehnung der Muslime als Muslime“ zu unterscheiden.

Das ist zugleich wichtig und heikel. Wichtig insofern, als es Religionskritiker wie Mina Ahadi, Hamed Abdel-Samad, Necla Kelek oder Seyran Ates legitimiert, die den Islam, aber nicht Muslime, aus sehr unterschiedlichen Gründen und in sehr unterschiedlichem Maße problematisch finden. Man muss ihre Positionen nicht teilen, um sie als legitim anerkennen zu können. Zwar bilde, auf diese Gefahr weist der Autor selbst zu Recht in aller Deutlichkeit hin, eine „pauschale Ablehnung des Islams als Religion […] meist eine Vorstufe“ für Feindseligkeiten gegenüber Muslimen als Muslimen, aber das bedeute „im Umkehrschluss nicht, dass die Kritik am Islam identisch mit der Feindschaft gegenüber Muslimen ist“. Bleibt die heikle Seite in Form der Frage, wie sich zweifelsfrei zwischen legitimer Kritik am Islam und pauschaler Ablehnung des Islam unterscheiden lässt.

Möglicherweise, das wird zukünftig zu diskutieren sein, ist das entscheidende Kriterium für eine legitime Kritik am Islam, dass sie weder fremdenfeindlich noch rassistisch argumentiert. Weil er Muslimenfeindschaft und Antisemitismus konsequent als Diskriminierungsideologie auffasst, hält der Autor einen Vergleich beider für möglich, aber dies keineswegs vorbehalt- und voraussetzungslos. Vielmehr knüpft Pfahl-Traughber die Vergleichbarkeit an die Fragestellungen nach dem „Grad der inhaltlichen Entwicklung“, den „historischen Erfahrungen mit den Folgen“ beider Phänomene, ihrer gesellschaftlichen Dimension und dem „sozialen Realitätsgehalt“ ihrer „Aussagen“.

Die beiden letztgenannten Fragen haben Monika Schwarz-Friesel und Evyatar Friesel in ihrem Beitrag bereits beantwortet. Sie weisen die Vergleichbarkeit von Muslimfeindschaft und Antisemitismus als „falsche Analogie“ zurück. Denn diese Analogie tendiere dazu, die judenfeindliche Gewaltgeschichte respektive die Shoah zu „de-realisieren“ und neuere Formen von Judenfeindschaft wie den Schuldabwehr- beziehungsweise sekundären Antisemitismus und die Israelfeindschaft zu marginalisieren. Es gibt daher kein hinreichend belastbares tertium comparationis, keine akzeptable Vergleichsbasis, die das Ergebnis nicht schon absehbar verzerrt. Hinzu kommt die Heterogenität des Vergleichs, weil die Bedingungen und das Ausmaß, unter denen beziehungsweise in dem Juden allein im 19. Jahrhundert ausgegrenzt und Pogromen ausgesetzt waren, nicht vergleichbar sind mit den aktuellen Bedingungen einer relativ stabilen liberalen Demokratie. Das verhindert, das sei ergänzt, keine fremdenfeindliche und rassistische Gewalt, keine Morde wie die tödlichen Brandanschläge in Solingen und Mölln oder die des NSU-Trios, die ihre u. a. türkischstämmigen Opfer als ‚Ausländer‛ ansahen, oder den an Marwa el-Sherbini, den der Täter aus Muslimfeindschaft beging. Morde wie diese hat es nach 1945 in der Bundesrepublik auch an Juden gegeben. Man denke an die sieben Opfer des Brandanschlags auf das jüdische Altersheim 1970 in München oder an den Mord an Shlomo Lewin und seiner Lebensgefährtin Frida Poeschke im Dezember 1980 durch einen Täter aus der Wehrsportgruppe Hoffmann. Ferner muss man hinzufügen, dass die Anschläge auf jüdische Einrichtungen und Personen nach wie vor zahlreich sind. Folglich kommen Muslime als Opfergruppe zu Juden als Opfergruppe hinzu und haben sie nicht ersetzt, wie Wolfgang Benz anlässlich einer Veranstaltung im Deutschen Bundestag im Mai 2013 meinte: „Das Feindbild der Juden wird heute durch das Feindbild der Muslime ersetzt.“

Die Argumentation von Monika Schwarz-Friesel und Evyatar Friesel schließt Diskriminierungen von Muslimen als Muslimen auf der strukturellen und der gesellschaftlichen Ebene nicht aus, wohl aber ihre Vergleichbarkeit mit historischen Diskriminierungen von und Pogromen an Juden sowie der Shoah. Verglichen werden könne, so ihr Fazit, nur kontrastiv-komparativ sowie homogen.

Luzie H. Kahlweiß und Samuel Salzborn stellen dem Islamophobie-Begriff, nachdem sie seine Genese und Semantik rekonstruiert und kontextualisiert haben, ebenfalls ein schlechtes Zeugnis aus. Er wurde zu verschiedenen Zeiten und in wechselnden Kontexten höchst unterschiedlich gebraucht. Entscheidend für die aktuelle Debatte sind Funktion und Bedeutung, die ihm der britische Runnymede Trust mit seiner „unscharfen Definition“ zugewiesen hat. Sie schloss faktische Probleme wie die Ausgrenzung und Abwertung muslimischer Migrant/innen kurz mit einer „Immunisierungsstrategie“ gegen liberale Kritik, auch dann, wenn es sich um aufgeklärte Aufklärung nach dem Modell der Kritischen Theorie von Horkheimer/Adorno handelte. Woran es fehle, ist eine Differenzierung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit, weshalb viele Islamophobie-Studien keine Aussagekraft hätten. Aufgrund der qualitativen und quantitativen Unterschiede ist ein Vergleich von Antisemitismus und Muslimfeindschaft beiden Autoren zufolge nicht sinnvoll. Denn Antisemitismus basiere überwiegend auf Fantasien. Kritik am politischen Islam indes ist faktisch begründet, wie die Terroranschläge in New York, Madrid, London, das Terrornetzwerk al-Qaida und die iranischen Vernichtungsdrohungen gegen Israel zeigen. Weil die Umfrageforschung nicht zwischen abgefragter, augenblicklicher Einstellung und zugrunde liegender Vorstellung beziehungsweise nach Gründen hierfür unterscheidet, stößt sie an strukturelle Grenzen. Meinung und Gesinnung der Interpreten haben überdies einen nicht zu unterschätzenden Einfluss auf das Ergebnis.

Als „analytische Kategorie“ verwerfen Samuel Salzborn und Luzie Kahlweiß den „Islamophobie“-Begriff. Denn er trägt ideologisch-propagandistische Züge, ist terminologisch unscharf, weist ein mangelndes Differenzierungsvermögen auf und damit einen Mangel an validen empirischen Befunden. Last but not least nütze er, wie die Autoren mit Bezugnahme auf die Arabistin Claudia Dantschke schreiben, nur den radikalen Islamisten und Rechtsextremisten, die „ihre ideologischen Berührungspunkte erkannt haben und sich in einem Verhältnis zwischen Feindbild und Partnerschaft befinden“.

So weit zu den Beiträgen, die sich explizit der Frage nach dem Vergleich und der Vergleichbarkeit widmen. Um ein vorläufiges Resümee zu ziehen: Weil der Islamophobie-Begriff nicht hinreichend von Fremdenfeindlichkeit und Rassismus abgegrenzt ist, taugt er analytisch nicht viel. In der Tat sind von Fremdenfeindlichkeit und Rassismus auch säkulare Muslime, Ex-Muslime oder Nicht-Muslime aus der MENA-Region betroffen. Um Benachteiligungen aus religiösen Gründen zu erfassen, ist ein präziseres begriffliches Instrumentarium vonnöten.

Es gibt sieben weitere spannende Beiträge, die die Phänomene Judenfeindschaft und Islamfeindschaft für sich behandeln. Julius H. Schoeps erinnert daran, dass die christlich inspirierte Judenfeindschaft nicht nur um einige Jahrhunderte älter als die muslimische, sondern auch hartnäckiger und für die europäischen Juden ungleich folgenreicher gewesen ist. Die Shoah fand in Europa statt. Dieser Subkontinent war und ist in der Moderne säkular, aber nach wie vor christlich geprägt. Die Zählebigkeit des christlichen Antijudaismus erfordere heute wieder, dass das „Selbstverständnis“ der Kirchen sowohl auf „institutioneller“ als auch auf „theologischer“ Ebene „neu überdacht wird“.

Monika Halbinger gibt Einblicke in „deutsche Rezeptionsbedürfnisse“ der medialen Vermittlung des Judentums nach 1945. Thorsten Gerald Schneiders konturiert das Verhältnis von Islam, Islamfeindlichkeit und Unionsparteien und Alexander Häusler das Feindbild Moslem als rechtsextremen „Türöffner“ in die Mitte der Gesellschaft. Thomas Schmidt analysiert Moschee-Debatten als „raumbezogene, interkulturelle und interreligiöse Konflikte“. Ulrich Knufinkes Beitrag widmet sich Synagogenbauten in den beiden vergangenen Jahrhunderten, und abschließend untersuchen Kristina Kraft, Manuela Freiheit und Viktoria Spaiser antisemitische Deutungsmuster junger Muslime in Deutschland im Kontext des Nahost-Konflikts.

Titelbild

Gideon Botsch / Olaf Glöckner / Christoph Kopke / Michael Spieker (Hg.): Islamophobie und Antisemitismus - ein umstrittener Vergleich.
De Gruyter, Berlin, Boston 2012.
265 Seiten, 74,95 EUR.
ISBN-13: 9783110265101

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