Eine chaotische Hausfrau und viele Klischees
Sandra Girods Debütroman „Nenn mich nicht Hasi!“
Von Yvette Rode
Besprochene Bücher / LiteraturhinweiseIm Mai dieses Jahres legte Sandra Girod, die unter anderem als Redakteurin für die BZ, die Kieler Nachrichten, die Petra, die Für Sie und die Laura arbeitete, mit Nenn mich nicht Hasi! ihr Prosadebüt vor. Der Roman handelt von der Hausfrau Angela Winter, die mit ihrem Mann Jan-Rudi, der zweijährigen Tochter Knöpfchen und dem neunjährigen Sohn Luca in einer Doppelhaushälfte in einer idyllischen Hamburger Vorstadtsiedlung lebt, in der jeder jeden kennt. Nach der Geburt ihrer Kinder hat sie ihren Job in der Öffentlichkeitsarbeit eines Hamburger Einkaufszentrums aufgegeben, ist zu einem unscheinbaren Mauerblümchen in Schlabberklamotten mutiert, das sich den ganzen Tag nur um den Haushalt kümmert und sich über die mangelnde Aufmerksamkeit von Jan-Rudi ärgert, der sich nach der Arbeit lieber Fußballspiele vom HSV im Fernsehen anschaut, anstatt etwas mit ihr zu unternehmen. Angela wünscht sich mehr „Highlights“ in ihrem Leben und möchte aus der heilen Vorstadtidylle ausbrechen. Ihre Freundin Petra, die ihren Mann Frank mit einem verheirateten Manager betrügt, rät Angela dazu, sich ebenfalls auf eine Affäre einzulassen. Gleich drei Männer kommen in Angelas Auswahl: Da ist zum einen der Fleischer Arwid Storm, der in ihren Augen wie ein „hanseatische[r] Brad Pitt“ aussieht und auf dem Wochenmarkt mit ihr flirtet. Auf einer Schifffahrt nach Norwegen lernt Angela zudem den 30-jährigen Ingenieur Frederik kennen, der sie mit Komplimenten überhäuft. Außerdem hat ihr Exfreund, der russische Fotograf Victor Sokolow, ihre Freundschaftsanfrage bei Facebook bestätigt und will sich mit ihr treffen. Angela ist hin- und hergerissen, ob sie eine Affäre mit einem der Männer eingehen und ihre Ehe riskieren soll.
Nenn mich nicht Hasi! von Girod ist ein Familienroman mit einer simplen Handlung, die auch aus einer Seifenoper stammen könnte: Eine Frau mittleren Alters ist mit ihrem eintönigen Leben als Hausfrau und Mutter unzufrieden und wünscht sich mehr Abwechslung. Indessen plagt Angela sich mit Figurproblemen herum und schlittert ungewollt von einem Fettnäpfchen ins nächste. Als sie beispielsweise ihre Bekannten Hella und Patrick mit einem Dreigängemenü beeindrucken will, fliegt ein Vogel durch das offene Fenster in die Küche und verrichtet sein Geschäft auf das fertige Essen. Auch auf der Schiffsreise nach Oslo läuft alles schief, da Angela während eines Flirts mit Frederik bemerkt, dass sie Läuse hat.
Da Girod ihre Protagonistin als eine Art modernes Aschenputtel und eine (mehr oder minder) durchschnittliche Frau mit Ecken und Kanten zeichnet, vermag sie bei den Leser*innen Sympathie zu wecken, da Angela die Frau von nebenan und keine femme fatale ist, die den Männern reihenweise den Kopf verdreht. Besonders weibliche Leserinnen werden sich mit ihr identifizieren können, während sie beim männlichen Leser (sofern es ihn gibt) unter Umständen an dessen Beschützerinstinkt appelliert.
In der Zeichnung ihrer Charaktere bedient Girod zahlreiche Klischees, da diese von ihr so übertrieben dargestellt werden, dass sie wie überzeichnete Karikaturen wirken. Angela und Petra haben beispielsweise beide nach der Geburt ihrer Kinder ihre Karriere aufgegeben und sind seitdem finanziell von ihren Männern abhängig. Ihre kinderlose Freundin Isy ist eine erfolgreiche Eventmanagerin, die in der gehobenen Gesellschaft verkehrt, um die Welt fliegt und Affären mit vorzugsweise jüngeren Männern hat, die sie im Internet kennenlernt. Auch der ledige Fotograph Victor führt ein unstetes Leben und hat eine Vorliebe für minderjährige Models mit langen, blonden Haaren, die ihn bewundern. Angelas Mann Jan-Rudi arbeitet als Mathematiker bei einem Versicherungskonzern, trägt gerne Anzug und Krawatte und kann laut Angela zwar „virtuos mit biometrischen Rechnungsgrundlagen, Regress-Kennziffern und dem Panjer-Algorithmus“ umgehen, ist jedoch außerstande die Küche zu fegen und eine Tasse in die Spülmaschine zu stellen. Petras Mann, der Pilot Frank, ist zwar dazu „in der Lage, eine Boeing 757 zu fliegen, aber unfähig, die Waschmaschine zu bedienen.“
Derartige Klischees ziehen sich durch den gesamten Roman. Am Anfang mögen sie noch amüsant sein, mit der Zeit sorgen sie jedoch unweigerlich für Langeweile. Trotz der stereotypen Figuren ist Girod mit Nenn mich nicht Hasi! ein Prosadebüt gelungen, das seinen Unterhaltungswert vor allem seiner chaotischen Protagonistin verdankt.
Ein Beitrag aus der Redaktion Gegenwartskulturen der Universität Duisburg-Essen