Animalische Liebe
Claude Béata erzählt, warum auch Tiere Gefühle haben
Von Sebastian Meißner
Früher galt Gefühl als „Verunreinigung“ des wissenschaftlichen Denkens. Heute sind Emotionen längst ein beliebtes Thema der Forschung. Vor allem das Phänomen der Liebe mit all seinen Begleiterscheinungen – Eifersucht, Monogamie, Trauer – wird mit großem Eifer untersucht. Allerdings fast ausnahmslos nur beim Menschen. Tiere galten lange Zeit als „biologische Automaten“ ohne Gefühle.
Claude Béata gehört zu den ersten Veterinären, die Liebe zum Gegenstand der Wissenschaft machen. In seinem neuen Buch „Das Wagnis der Liebe“ zeigt er gleichsam fundiert wie unterhaltsam die Verhältnisse in der Tierwelt auf, um die Zusammenhänge beim Menschen besser zu verstehen. Dabei wählt er einen Ansatz, der Erkenntnisse sowohl aus der Neurologie und Ethologie als auch aus den Geistes- und Kulturwissenschaften vereinigt. „Fröhliche Wissenschaft“ nennt der bekannte französische Neurologe und Psychiater Boris Cyrulnik die Arbeit von Béata. Das passt.
Denn auf den rund 350 Seiten bietet der Autor eine Mischung aus Wissen und Unterhaltung. Seine Theorien erläutert er in verständlicher Alltagssprache und anhand launiger Anekdoten. Dabei geht es nicht nur um Beziehungen der Tiere untereinander, sondern auch um Beziehungen zwischen Tier und Mensch. Da ist zum Beispiel der Papagei Salsa, der vom ersten Blick an eine tiefe Bindung zu seinem Frauchen aufgebaut hat und in der Folge keine Sekunde ohne sie sein wollte. Eine solche Bindung zwischen Tier und Mensch beruht auf Vertrauen, Loyalität und Solidarität. Das Phänomen der tierischen Empathie erläutert Béata anhand der Geschichte der Katzenmutter Chiquita. Als sie zum zweiten Mal trächtig war, bekam auch ihre Tochter aus erstem Wurf ihre ersten Jungen. Chiquita kümmerte sich um die verunsicherte Neu-Mutter und lebte ihr die notwendigen Schritte vor. Für Béata ein klarer Beleg für die Fähigkeit von Katzen zur Empathie: Wer das Kind versorgt, müsse die Bedürfnisse verstehen, um die Überlebenschancen zu erhöhen. Jedes Individuum müsse daher über die Fähigkeit verfügen, die Welt des anderen zu begreifen, so Béata.
Beispiele wie diese gibt es zuhauf in „Das Wagnis der Liebe“. Leser erhalten so eine tiefen Einblick in die Verhaltensweisen verschiedenster Tiere wie Vögel, Affen, Hunde oder Katzen. Dass Erklärungen ihres Verhaltens als rein triebgesteuert zu kurz greifen, leuchtet nach Lektüre seiner Ausführungen ein. Auch sind die vorgetragenen Rückschlüsse auf menschliches Verhalten gut nachvollziehbar. Mitunter erscheinen Beobachtung und Schlussfolgerung jedoch zu eng beieinander zu liegen beziehungsweise zu wenig gut ausgeführt. Zudem holt Béata nur am Rande Rat aus anderen Disziplinen. Dabei gäbe es gerade im Bereich der Empathie-Forschung interessante Erkenntnisse, die seine Theorien zu stützen und bereichern in der Lage gewesen wären. Dennoch ist „Das Wagnis der Liebe“ ein interessantes Buch geworden, das seine Leser für zweierlei sensibilisiert: das emotionale Handeln der Tierwelt und das eigene Verhalten.