Trotz Bielefeld-Verschwörung:

Der Pendragon-Verlag in Mordwestfalen

Von Yvette RodeRSS-Newsfeed neuer Artikel von Yvette Rode

„Machen Sie es sich bequem. Wir bieten Ihnen spannende Unterhaltung. […] Entdecken Sie eine neue Welt, die zwischen zwei Buchdeckeln steckt“. Dies ist das Erfolgsrezept des Pendragon-Verlags, der 1981 von dem gelernten Erzieher Günther Butkus in Bielefeld gegründet wurde. Zu dieser Zeit studierte er selbst noch Literaturwissenschaft und besuchte in seiner Freizeit Lesungen. Schon immer hatte Butkus großes Interesse daran, die Autor*innen persönlich kennen zu lernen, da er wissen wollte, „wer […] hinter den Büchern“ steckt, wie er Lars Schafft auf krimicouch.de berichtet. Ein prägendes Erlebnis war sein Besuch auf der Frankfurter Buchmesse im Jahr 1980, bei der er besonders die kleinen Verlage „spannend“ fand. Dies hat bei Butkus solch einen „Kick“ ausgelöst, dass er sich dazu entschloss, selbst ins Verlagswesen einzusteigen. Der Pendragon-Verlag war geboren.

Der Weg vom Hörsaal in den Literaturbetrieb war für ihn ein Sprung „ins kalte Wasser“. Die ersten Jahre war sein Verlag eine „komplette One-Man-Show“, da Butkus alle Aufgaben vom Lektorat über die Pressearbeit bis hin zum Vertrieb allein erledigt hat: „Die Leute denken immer: In einem Verlag geht es nur ums Kreative, es geht nur um Literatur und um Lektorat. Das wäre schön. [lacht] Aber auch hier ist die Kreativität der kleinere Teil der Arbeit. Es muss auch hier unglaublich viel Verwaltung erledigt werden und das macht auch nicht immer Spaß“, so Butkus auf krimi-couch.de.

Trotz anfänglicher Schwierigkeiten hat er mit seiner Tätigkeit als Verleger seine Berufung gefunden, der er leidenschaftlich nachgeht. Und das mit Erfolg: Bis heute erschienen im Pendragon-Verlag mehr als 600 Titel. Butkus bekommt nach eigenen Angaben mindestens fünf Manuskripte pro Tag zugeschickt. „Spezialität“ des Verlags sind (laut Homepage) Krimis, deren „[r]affinierte Plots mit Finesse erzählt“ werden. Nicht nur deutsche Krimiautor*innen wie Mechthild Borrmann, Jörg Juretzka, Frank Göhre, Rainer Gross oder D.B. Blettenberg hat der Pendragon-Verlag auf der Backlist, sondern auch amerikanische wie Robert B. Parker und David Osborn. Außerdem ist er der einzige Verlag weltweit, der alle sieben Teile der Krimireihe Shaft von Ernest Tidyman ungekürzt in Neuübersetzungen herausgegeben hat. Aber auch die mehrteilige Werkausgabe von Max von der Grün ist im Pendragon-Verlag erschienen. Im Frühjahrsprogramm finden sich neue Krimis von Robert B. Parker, James Lee Burke, David Gray, von Jessica Kremser, Martin Schöne sowie von Autor*innenduo Elfi Hartenstein & Horst Vocks.

Butkus nimmt einen Wandel im Literaturbetrieb wahr und gesteht offen, dass es „[i]n den frühen 80er-Jahren […] als kleiner, unbekannter Verlag […] leichter [war] als heute mit einem doch recht gestandenen Programm“, die Bücher an die Leser*innen zu bringen. Dennoch bereut er es nicht, den Pendragon-Verlag gegründet zu haben und möchte auch weiterhin unabhängig bleiben: „Ich möchte irgendwie klein bleiben und in dem Bereich unter all dem Druck, den man hat, trotzdem versuchen, ein individuell geprägtes Programm zu machen. Sich die Autoren zu suchen oder anzusprechen und eigene Ideen zu entwickeln. Dass man sich bei all der vielen Arbeit treu bleiben kann, das möchte ich schon erreichen, ja“.

Der kleine Verlag reagierte rasch auf die zunehmende Digitalisierung: So hat er seit Anfang dieses Jahres auch einen eigenen Blog, auf dem Mitarbeiter*innen, Autor*innen und Freunde des Verlags wöchentlich Beiträge zu unterschiedlichen Themen veröffentlichen, die unterschiedlicher nicht sein könnten: Von Heike Blum, die normalerweise Krimis schreibt, findet man dort beispielsweise ein Rezept für Ofengulasch. Vor allem aber kann man dort etliche Kurzgeschichten lesen, etwa Und manchmal trifft man einen Menschen von Sophie Sumburane, Memory von Anne Kuhlmeyer, Das Märchen von dem Kamel, das weinte, und Wolf von Martin Schöne. Jessica Kremser, die mit ihren Chiemgau-Krimis um die Rentnerin und Hobbyermittlerin Frau Maier Bekanntheit erlang, erklärt am Weltfrauentag in Herr Maier, wieso ihre Protagonistin Frau Maier kein Mann sein kann. Aber auch politische Statements erhalten hier ein Forum: Am 9. Januar äußert sich David Gray in seinem Zwischenruf. Was mich manchmal dann doch nervt zu den Anschlägen auf Charlie Hebdo zwei Tage zuvor.

Der Independent-Verlag hat sich heute im Literaturbetrieb fest etabliert. Dies liegt nicht zuletzt daran, dass viele Autor*innen in den letzten Jahren mit renommierten Preisen ausgezeichnet wurden. So wurde beispielsweise Mechthild Borrmann 2012 für Wer das Schweigen bricht mit dem Deutschen Krimi-Preis ausgezeichnet, der acht Jahre zuvor an D.B. Blettenberg für Berlin Fidschitown (und wiederum 5 Jahre früher für Farang)verliehen wurde.Diesen gewann 2011 auch Frank Göhre (für Der Auserwählte), obendrein 1987 den Literaturförderpreis der Stadt Hamburg; Rainer Gross wurde 2008 der Friedrich-Glauser-Preis (für Grafeneck), Jörg Juretzka 2006 der Literaturpreis Ruhr zugesprochen, und 2012 erhielt er für sein Gesamtwerk den Ruhrpreis für Kunst und Wissenschaft seiner Heimatstadt Mülheim.

35 Jahre nach Gründung des unabhängigen Bielefelder Verlags schließen wir uns den Worten des Verlagsporträts auf der Pendragon-Homepage nachdrücklich an – und sagen ebenfalls: „So kann’s weitergehn!“

Ein Beitrag aus der Redaktion Gegenwartskulturen der Universität Duisburg-Essen