Partnerschaft im Langzeitporträt

David Nicholls‘ Roman „Drei auf Reisen“ erzählt von der Krise eines älteren Paares

Von Gunter IrmlerRSS-Newsfeed neuer Artikel von Gunter Irmler

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

„Ich habe das Gefühl, unsere Ehe ist am Ende, Douglas. Ich glaube, ich will dich verlassen“: Der Biochemiker Douglas Petersen, 54, ist völlig überrascht, als er in der Nacht diese Nachricht von seiner Ehefrau Connie erhält – nach über zwanzig Jahren Ehe. Für Connie, die als Kunstpädagogin in einem großen Londoner Museum arbeitet, ist jetzt der richtige Zeitpunkt für die Trennung gekommen. Der Sohn der beiden wird demnächst sein Studium beginnen und von zu Hause ausziehen.

Connie glaubt, „dass wir als Einheit, als Mann und Frau, ausgedient haben. Wir haben unser Bestes gegeben, wir können weiterziehen, unsere Arbeit ist getan.“ Sie will sich aber einer bereits geplanten „Grand Tour“, einer Kunstreise durch den europäischen Kontinent, nicht verweigern. Der Trip soll als eine „Art Pilgerreise“ die Familie zu den großen Kunstwerken der Antike und Renaissance und in die bedeutenden Kunstmuseen Europas führen – in Städte wie Paris und Amsterdam, Venedig und Verona, Florenz und Rom. Eine Kunstreise als Versuch, das Ende der Ehe aufzuhalten? Douglas will seine Frau zurückgewinnen: „Meine Frau hat mir alles geschenkt, was ich mir je erträumt habe, ihr verdanke ich alles Gute und Lohnenswerte in meinem Leben, und wir haben so vieles gemeinsam durchgemacht. Ein Leben ohne sie war für mich unvorstellbar.“

Der Brite David Nicholls, der mit seiner Frau und zwei Kindern in London lebt, landete mit seinem 2009 erschienenen Roman „Zwei an einem Tag“ (englisch: „One Day“) einen internationalen Bestseller. „Drei auf Reisen“ stand nun auf der Shortlist des Booker-Preises – der wichtigsten britischen Literaturauszeichnung.

Nicholls‘ Roman liefert Momentaufnahmen einer Partnerschaft im Langzeitporträt: „Drei auf Reisen“ berichtet nicht nur von der jugendlichen Euphorie des Kennenlernens oder der glühenden Liebe von Douglas und Connie als junges Paar, Nicholls zeigt auch die Hürden, die beide dafür nehmen mussten. Er weiß vor allem die Höhen und Tiefen der langen Jahre eines Ehe- und Familienlebens mit seinen strapaziösen Herausforderungen darzustellen – bis hin zur schmerzlichen Krise als älteres Paar.

Douglas ist der sympathische Verlierer, aber auch die Vaterrolle ist für ihn keine Institution zur Maximierung des Glücks. Erfolgreich war seine Karriere, und die hatte für ihn immer Priorität. Nun stößt er neben seinem einst attraktiven, jetzt kräftezehrenden Job an die Grenzen seines Einflusses auf die ermattete Vater-Sohn-Beziehung.

Die Desillusionierung der Jahre als Elternpaar in der Konstellation der Alltäglichkeit schildert der Autor mit treffend genauen Dialogen. Mit seiner leisen Stimme vermag der Roman den Leser zu berühren. Denn Nicholls ist zugleich ein wunderbar leichter, unterhaltsamer und intensiver Autor. Einfühlsam, humorvoll, aber auch melancholisch erzählt er zudem von einer turbulenten Kunst- und Bildungsreise quer durch Europa. So entsteht der berühmte Sog, dem man sich nicht gerne entzieht. Obwohl „Drei auf Reisen“ der Unterhaltungsliteratur zuzuordnen sein dürfte, ist er doch kein Hort der Klischees. Es finden sich auf über 500 Seiten kaum Augenblicke, die konstruiert erscheinen.

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David Nicholls: Drei auf Reisen. Roman.
Übersetzt aus dem Englischen von Simone Jakob.
Kein & Aber Verlag, Zürich 2014.
535 Seiten, 22,90 EUR.
ISBN-13: 9783036992815

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