Jörg Lauster hat mit „Die Verzauberung der Welt“ eine Kulturgeschichte des Christentums geschrieben

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Das 2014 in erster, ein Jahr später in zweiter Auflage erschienene Buch „Die Verzauberung der Welt“ des Marburger Theologen Jörg Lauster verweist schon im Untertitel auf einen nicht nur allgemein kulturgeschichtlichen, sondern auch dezidiert kulturprotestantischen Ansatz der Liberalen Theologie, der sich Jörg Lauster erklärtermaßen verpflichtet weiß. Neben dem cultural turn und dem Kulturprotestantismus benennt Lauster im Vorwort als dritten theoretischen Referenzpunkt die Hermeneutik: Kulturgeschichte soll hermeneutisch als Sinngeschichte aufgefasst werden. Es ist Lausters Ziel, die kulturellen Erscheinungsformen des Christentums zu verstehen und damit eben jene „Erscheinungsformen, Triebkräfte und Erfahrungen, die unsere Kultur geprägt haben“. Der Autor geht davon aus, dass Kultur einen nicht auf eine konkrete Funktion reduzierbaren „Überschuss im Welterleben“ verarbeitet und artikuliert. Die kulturelle Artikulation dieses Überschusses ist eben jene titelgebende „Verzauberung der Welt“. Sie endet keinesfalls, wie Max Webers Diktum von der Entzauberung der Welt nahelegen würde, in der Moderne, sondern nimmt hier nur andere Formen an – freilich unter den spezifischen modernen Bedingungen, von denen Lauster vor allem Entdogmatisierung, Entinstitutionalisierung und die zunehmende Bedeutung der religiösen Erfahrung betont.

In elf Kapiteln zeichnet Lauster die Kulturgeschichte des Christentums nach, dabei referiert er stets kompakt den aktuellen Forschungsstand. Sie beginnt mit der Person Jesu und ihrer Verarbeitung in den kanonischen Evangelien als dem Ausgangspunkt des Christentums. Die folgenden Kapitel beziehen sich stets auf dieses erste, wenn Lauster betont, dass einerseits „die ganze Kulturgeschichte des Christentums als die Summe der Versuche einer jeden Zeit und einer jeden Epoche gelesen werden kann, mit den jeweils zur Verfügung stehenden kulturellen Ausdrucksmitteln den persönlichen Umgang mit Christus im Bewusstsein […] zu halten“, andererseits die Botschaft Jesu („das Christliche“) in keiner ihrer religionskulturellen Manifestationen unmittelbar aufgeht. Dabei unterstreicht der Autor die kontinuierliche Wandlungsfähigkeit des Christentums, das dramatische Erschütterungen stets mit erstaunlichen Adaptionsleistungen verarbeitet hat. Lausters Kulturgeschichte endet im „langen“ 19. Jahrhundert; nur ein knapper Ausblick verweist auf Tendenzen des letzten Jahrhunderts.

Thomas Hardtke

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Titelbild

Jörg Lauster: Die Verzauberung der Welt. Eine Kulturgeschichte des Christentums.
Verlag C.H.Beck, München 2014.
734 Seiten, 34,00 EUR.
ISBN-13: 9783406666643

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