Kunsthistorikerin mit Hang zum Morbiden

Saskia Hennig von Lange

Von Yvette RodeRSS-Newsfeed neuer Artikel von Yvette Rode

Viele Nachwuchsautor*innen wünschen sich nichts sehnlicher, als mit ihren Texten auf sich und ihr Talent aufmerksam zu machen. Wird man dann in einem Atemzug mit Größen wie Franz Kafka und Thomas Bernhard genannt, ist man auf dem besten Weg, sich im Literaturbetrieb zu etablieren. Saskia Hennig von Lange (*1976) ist dies gelungen. Björn Hayer entdeckt in ihrer Debütnovelle Alles, was draußen ist Parallelen zu Thomas Bernhards Roman Korrektur. Seiner Auffassung nach habe Hennig von Lange „ihr Kabinettstück als Bernhard’sche Bewusstseinszelle komponiert“.

Für ihre Debütnovelle Alles, was draußen ist, die 2013 im Jung und Jung Verlag erschien, wurde sie im selben Jahr mit dem Wortspiele Literaturpreis ausgezeichnet. Zudem schaffte sie es auf die Hotlist der Independents, bei der seit 2009 die zehn besten Bücher aus unabhängigen Verlagen geehrt werden. 2014 erhielt sie für ihr literarisches Debüt den Rauriser Literaturpreis. Noch im selben Jahr veröffentlichte sie ihren ersten Roman Zurück zum Feuer, für den sie mit dem Hallertauer Roman-Debütpreis 2014 und dem Clemens Brentano Preis ausgezeichnet wurde.

Neben ihrer schriftstellerischen Tätigkeit widmet sich Hennig von Lange, die 1976 in Hanau geboren wurde und an der Justus-Liebig-Universität Gießen Angewandte Theaterwissenschaften und Kunstgeschichte studiert hat, ihren zwei Kindern und ihrer Dissertation, die den Arbeitstitel trägt: Die Figuration der Bildgrenze als Einschnitt und Übergang. Erscheinung, Gestalt und Funktion mittelalterlicher Rahmensysteme.

Zentrale Motive in Hennig von Langes literarischen Texten sind der Tod und die Vergänglichkeit des menschlichen Daseins. Es geht um Menschen, die persönlich oder in ihrem engeren Umfeld mit dem Tod konfrontiert werden, ihr Leben Revue passieren lassen und über den Sinn des Lebens sinnieren. So offenbart Hennig von Lange in Alles, was draußen ist die psychologische Innensicht eines unheilbar kranken Mannes, der sich in ein Anatomiemuseum zurückzieht und zwischen Totenschädeln und anderen menschlichen Überresten über das Leben nach dem Tod reflektiert. In Zurück zum Feuer blickt der Boxer Max Schmeling auf sein Leben zurück. Außerdem geht es um ein Ehepaar, dessen Sohn bei einem Unfall ums Leben gekommen ist und das am Tod seines Kindes zerbricht.

„Das Schwierigste im Schreiben ist, sich in ein sterbendes Bewusstsein zu schleichen“, erklärt Hennig von Lange in einem Interview. Doch ihr gelingt dies mit Bravour, was auch an den größtenteils positiven Feuilletonreaktionen deutlich wird. Christoph Schröder von der Zeit erklärt, dass Hennig von Lange „binnen zweier Jahre zwei im besten Sinne randständige kleine Bücher veröffentlicht [hat], die fern aller Moden versuchen, sich den existentiellen Problemen sprachlich anzunähern. […] Was die beiden Werke verbindet, ist die Tatsache, dass sie in hoch konzentrierter und verdichteter Form von Innen- und Außenwelten erzählen, dass sie in die Köpfe und in die Körper ihrer Figuren hineinfahren und von dort aus die Welt sozusagen mit der Lupe betrachten, sehr präzise, sehr scharf und auf eine literarisch insistierende Weise, die Beklemmung hervorzurufen vermag.“

Auf Einladung der Literaturkritikerin Sandra Kegel von der FAZ liest Hennig von Lange bei dem diesjährigen Ingeborg Bachmann-Preis. Man darf gespannt sein, ob sie ihrem Stil und ihrem Hang zur Melancholie treu bleibt.

Ein Beitrag aus der Redaktion Gegenwartskulturen der Universität Duisburg-Essen