Was soll ein Fürstensohn lernen?

Die fürstliche Erziehung und Ausbildung um 1500 stehen im Mittelpunkt der Untersuchung von Benjamin Müsegades

Von Marc-André KarpienskiRSS-Newsfeed neuer Artikel von Marc-André Karpienski

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Nicht erst heutzutage strengen sich Eltern an, ihrem Nachwuchs eine adäquate Ausbildung und Erziehung angedeihen zu lassen. Auch in früherer Zeit lässt sich oftmals feststellen, dass in dieser Hinsicht vorausplanend gehandelt wurde. Benjamin Müsegades hat sich in seiner Dissertation, die hier in überarbeiteter Form vorliegt, dabei dem männlichen Nachwuchs der Reichsfürsten zugewandt, der in der zweiten Hälfte des 15. und in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts aufwuchs und erzogen, beschult, ausgebildet, sozialisiert, belehrt und trainiert wurde. Die Untersuchung versucht sich methodisch an einer Kollektivbiographie. Es werden also aus vielen einzelnen biographischen Informationen Muster abgelesen, die als typisch für die Gruppe der Reichsfürsten erscheinen.

Die Reichsfürsten als Elite innerhalb der Adligen im spätmittelalterlichen und frühneuzeitlichen Reich waren in Hinblick auf ihren sozialen Status und ihre politischen Möglichkeiten zunehmend herausgehoben aus anderen adligen Gruppen und trennten sich demonstrativ durch besondere Ehren und Vorrechte von diesen ab. Sie verstanden die Ausbildung ihrer Kinder einerseits als Sicherung der eigenen Nachfolge, so dass die Jugend für die Herausforderung der Herrschaft vorbereitet werden sollte, und andererseits war die Art der Ausbildung auch immer Ausweis des eigenen Standes und damit der herausragenden sozialen Position.

Benjamin Müsegades strukturiert seine Arbeit nach Orten, Personen und Inhalten, die im Zusammenhang mit dieser Ausbildung stehen. So erfährt der Leser etwas über die Aufenthalte an fremden Höfen oder den Besuch von Universitäten und lernt die adligen Hofmeister und gelehrten Präzeptoren kennen, die unmittelbar als Lehrer und Vorbilder für die Jungen agierten. Schließlich widmet sich der Autor den unterschiedlichen Wissensfeldern, die der zukünftige Fürst beherrschen sollte und beleuchtet dabei das zu erlernende höfische Benehmen bis hin zu den Kenntnissen des Rechts und der dafür notwendigen lateinischen Sprache.

Wie schon vermerkt, ist diese Monographie aus einer Dissertation hervorgegangen. Sie ist also mit den klassischen Attributen einer solchen Arbeit ausgestattet, das heißt detaillierte Fußnoten, ein umfangreiches Literaturverzeichnis und ein strukturierter Aufbau kennzeichnen dieses Werk. Auch in sprachlicher Hinsicht ist die Arbeit eher nüchtern gehalten, verzichtet dabei aber auf Bandwurmsätze oder Spezialbegriffe, die beim schnellen Erfassen des Inhalts stören könnten.

Wie es sich gehört, werden benutzte Begriffe definiert, wie zum Beispiel das Wort Spielzeug, das als nicht zeitgenössisch verortet wird. Die Bedeutung von Spielen wird anhand eines Fürstenspiegels erläutert, die Überlieferungsprobleme werden thematisiert und schließlich wird dieser Begriff ausdifferenziert in drei Untergruppen, wobei auch der Urheber der entsprechenden Differenzierung nicht vergessen wird. Dies geschieht für eine im Folgenden vorgenommene Untersuchung der Spielzeugnennungen in den Quellen. Dass nur eine der Untergruppen namentlich noch einmal genannt wird und die Analyse des in Quellen belegten Spielzeugs auf weniger als einer Seite Platz findet, zeigt die eifrige Auseinandersetzung mit den Details der Untersuchung.

Da mag es verwundern, dass die Entfaltung der Fragestellung und der Methodik der Arbeit überraschend blass bleibt. Die Auswahl der behandelten Fürstenhäuser und die zeitliche Eingrenzung der Untersuchung werden zwar begründet, aber das handlungsleitende Erkenntnisinteresse erschließt sich nur aus dem Zusammenspiel verschiedener Kapitel. Nicht mehr als ein kurzer Absatz und eine Fußnote wird auch der zu Grunde liegenden Methode gewidmet, was in Hinblick auf eventuelle methodische Schwierigkeiten vielleicht zu knapp geraten ist.

Trotz dieser Kritik sei dieses Buch den an der Thematik Interessierten empfohlen, um ein umfassendes Bild zu gewinnen von den erzieherischen Bemühungen der reichsfürstlichen Elite um ihre potentiellen Nachfolger.

Ein Beitrag aus der Mittelalter-Redaktion der Universität Marburg

Titelbild

Benjamin Müsegades: Fürstliche Erziehung und Ausbildung im spätmittelalterlichen Reich.
Reihe: Mittelalter-Forschungen, Band 47. Hg. von Bernd Schneidmüller und Stefan Weinfurter.
Jan Thorbecke Verlag, Ostfiltern-Ruit 2014.
362 Seiten, 45,00 EUR.
ISBN-13: 9783799543668

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