Ein Abend mit Mario Adorf
Zur (Selbst-)Darstellung des 11. Festivals des deutschen Films
Von Mario Bartlewski
„Festivals wie dieses sind im Bereich der Kultur unverzichtbar für die jeweiligen Städte. Und wir haben uns nun endgültig etabliert“, erklärt Festivalleiter Dr. Michael Kötz zum Abschluss des elften Festival des deutschen Films in Ludwigshafen/Rhein. 64 deutsche Film- und v.a. Fernsehproduktionen, wurden in den dreieinhalb Wochen zuvor gezeigt. Für diesen Zeitraum verwandelte sich die Parkinsel zum Treffpunkt für Filminteressierte und lockte damit so viele Besucher an wie nie zuvor: Mit knapp 88 000 Gästen – gut 7 000 mehr als im Vorjahr – stellte das Festival 2015 einen neuen Rekord auf. Aber wie hat sich das Festival selbst in der Öffentlichkeit dargestellt, um das Publikum zu erreichen und zum Besuch zu mobilisieren?
Während des Festivals verteilten die Veranstalter zwischen Kinozelten, Rheinufer und Sitzgelegenheiten Fragebögen zum Besucherverhalten. „Wie haben Sie von uns erfahren?“, „Wie viele Tage besuchen Sie das Festival“ und „Warum besuchen Sie das Festival?“, lauteten einige der Fragen, die es zu beantworten galt. Auffällig bei letzterer die Antwortmöglichkeit „Weil man so viele Stars sehen kann“, die wohl viele Besucher am letzten Festivalwochenende angekreuzt haben dürften.
Am Freitag (3. Juli) standen vielversprechende Filme auf dem Programm. Darunter auch Bettina Blümners Parcours d’Amour (2015), der das Pariser Nachtleben aus einem anderen Blickwinkel zeigt: Damen und Herren über 80 Jahre treffen sich zum gemeinsamen Tanzen und um – mit etwas Glück – auch den idealen neuen Partner zu treffen. Auch die Politsatire Confusion (2015) von Laurent Negre überzeugte. In einer Mockumentary verfolgt das Publikum die Geschichte eines ehemaligen Guantanamo-Häftlings und der Schweizer Staatsrätin Caroline Gautier, die sich für die Aufnahme des Häftlings einsetzt. Die Vorstellungen waren gut besetzt, doch richtig gefüllt war die Parkinsel trotzdem nicht.
Ganz anders die Situation bei der Verleihung des Preises für Schauspielkunst an Mario Adorf am Abend. Schon lange vor dem Einlass reichten die Wartebereiche vor dem Festivalkino nicht mehr aus. Die Gäste drängten sich bis auf den Gehweg, um die besten Plätze für die Preisverleihung zu ergattern. Andere hofften am Kartenschalter vergeblich darauf letzte Karten erwerben zu können. 1963 gelang dem heute 84-Jährigen Adorf der große Durchbruch mit seiner Rolle als Bösewicht in Winnetou. Mehr als 50 Jahre später steht er noch immer vor der Kamera – so auch in Der Liebling des Himmels (2015), der auf dem Festival des deutschen Films gezeigt wurde. Hier versucht der Hamburger Psychiater Magnus Sorel (Axel Milberg) die Probleme seiner Patienten zu lösen. Nur an seinen eigenen scheint er zu scheitern. Sein Vater (gespielt von Mario Adorf) versucht ihm allerdings den Rücken freizuhalten.
Als Mario Adorf um kurz nach 20 Uhr das Zelt betrat, erhielt er noch vor dem ersten Wort stehende Ovationen, die er sich spätestens durch sein Auftreten beim Künstlerinterview verdiente: Er wirkte sympathisch, echt, zog die Menge in seinen Bann und wusste zwei Stunden gut zu unterhalten. Damit dominierte Mario Adorf auch Tags darauf die lokalen Medien. Während sich die Berichterstattung zum Festival ansonsten auf den hinteren Seiten und eher versteckt abspielte, diente ein Solobild von Mario Adorf als Aufmacher für den Lokalteil der Zeitung Die Rheinpfalz. Auch beim Internetauftritt des SWR legte man an diesem Tag den Fokus auf die Berichterstattung zu Adorf.
Oder lag der Zustrom zum Star an der Uhrzeit? So einfach kann man es sich wohl nicht machen, denn zur Prime-Time am Samstag waren bei den Preisverleihungen des Publikums- und des Filmkunstpreises gerade einmal die Hälfte der Sitzmöglichkeiten belegt, was auch Festivalleiter Dr. Michael Kötz auffiel: „Was ist los? Der Raum ist zur Hälfte leer bei der Preisverleihung. Wir wundern uns.“ Lebt das Festival also mehr von den Stars als von den zahlreichen, teils qualitativ hochwertigen Filmen?
Im Vorfeld hatte der Medienpartner Die Rheinpfalz ausführlich über die einzelnen Filme berichtet. Während des Festivals selbst drehte sich hingegen viel um die Akteure, die den roten Teppich betraten. Eine Sichtweise, die auch die Veranstalter selbst initiiert hatten. So widmeten sich in der Programmvorschau zum Festival die ersten Seiten den Prominenten, die man in diesem Jahr antreffen konnte. Dazu zählten neben Mario Adorf insbesondere Corinna Harfouch, die einen Tag vor Mario Adorfs Auftritt den Preis für Schauspielkunst erhielt, daneben Jürgen Vogel, Benno Fürmann und Walter Sittler.
Einen ähnlichen Schwerpunkt setzten die Veranstalter auch beim kurzfristig erstellten Flyer, der regelmäßig über die Geschehnisse informierte. Durch das kostenlose Verteilen erreichte man viele Leser auf dem Festival und aufgrund des Designs und der Darstellung als offizielles Produkt wurde der Flyer zum Medium offensiver Selbstdarstellung. „Sämtliche Gäste – und es waren viele dieses Jahr, mit einer rekordverdächtigen Prominentendichte – haben uns für unser Programm gelobt“, heißt es dort am letzten Festivalwochenende zwischen großen Artikeln zu Mario Adorf und Corinna Harfouch. Das Festival scheint sich also neben der Besucherzahl auch über die Anzahl der Auftritte von prominenten Gästen zu definieren. Unterstrichen wurde der Pressetext durch die Rede von Michael Kötz, der bei seinem Rückblick immer wieder Bezug auf diesen Faktor nahm: „Künstler, die den Glamourfaktor dieses Festivals ausgemacht haben, haben sich zuhauf auf dem roten Teppich gezeigt.“
Genau darauf richtet auch der filmische Festival-Rückblick sein Hauptaugenmerk: Unzählige Limousinen werden beim Einfahren gezeigt, Prominente steigen aus und werden von Fans bejubelt. Filme selbst geraten etwas ins Hintertreffen – was zu bedauern ist. Auf der Parkinsel selbst spielten die gezeigten Filme auch am letzten Wochenende die Hauptrolle: Das Programm war vielschichtig und die Filme regten die Zuschauer zum Lachen, Weinen oder Nachdenken an. Eine Vielzahl von Gesprächen mit Regisseuren und Akteuren erweiterte die Möglichkeiten der Zuschauer, sich über den Film auszutauschen und Fragen zu stellen, die sonst wohl unbeantwortet geblieben wären. Ein Großteil davon blieb bei der (Selbst-)Darstellung von Veranstalter und Medien allerdings auf der Strecke.
Das Festival des deutschen Films beschränkte sich rückblickend also am Abschlusswochenende in seiner Darstellung auf die Präsentation von Prominenten – und zwar auf mehreren Ebenen: in Reden, Filmen und Printmedien. Genau das ist allerdings schade, weil dadurch in der Außendarstellung just das fehlte, worum es eigentlich ging: die vielen hochwertigen Filme, die es verdient gehabt hätten, gesehen zu werden. Besonders zeigte sich das bei den Preisverleihungen des Publikums- und des Filmkunstpreises in einem erschreckend leeren Kinozelt. Nach außen hin hat man auf den Plan gesetzt, mit großen Namen für Aufmerksamkeit zu sorgen, was auch gelang. Dadurch sind beim einen oder anderen potenziellen Gast allerdings Filme nicht auf dem Radar aufgetaucht, die ihm ansonsten hätten gefallen können. Natürlich ist das bei anderen Filmfestivals wie der Berlinale, mit der sich die Veranstalter in Ludwigshafen selbstbewusst (und -ironisch) vergleichen, nicht anders. Allerdings schreibt sich das Festival des deutschen Films auf die Fahnen, auch und gerade eher unbekannte deutsche Filme zu fördern und bekannt zu machen – ein hehres Unterfangen, das im kommenden Jahr offensiver nach außen kommuniziert werden könnte.
Ein Beitrag aus der Redaktion Gegenwartskulturen der Universität Duisburg-Essen