Zur August-Ausgabe 2015

Der Jurist und Begründer der Deutschen Philologie Jacob Grimm meinte in einem gerne, auch in dieser Ausgabe zitierten Bonmot, dass Literatur und Recht „miteinander aus einem Bette aufgestanden“ seien. Beim Miteinander in diesem Bett und nach dem gemeinsamen Aufstehen ging es nicht unbedingt nur harmonisch zu. Und das ist gut so. Manche „Dichterjuristen“ und „Dichterjuristinnen“ haben die Konflikte zwischen Literatur und Recht auf ungemein produktive Weise in sich selbst ausgetragen. Franz Kafka, der vor 100 Jahren in seinem Prozess-Roman und in seiner Erzählung In der Strafkolonie erschreckende und zuweilen komische Bilder der Justiz aufzeichnete, ist dafür nur ein Beispiel unter vielen.

Wie im Editorial zur Juli-Ausgabe angekündigt, setzen wir in der August-Ausgabe von literaturkritik.de den Themenschwerpunkt „Literatur und Recht“ mit anderen Akzentsetzungen fort. Der Betreuer des Schwerpunktes, Jürgen Joachimsthaler, hatte in seinen Vorbemerkungen zum ersten Teil bereits darauf hingewiesen, nach welchen Gesichtspunkten die Aufteilung vorgenommen wurde. Die Beiträge der Juli-Ausgabe haben gezeigt, wie Gesetze und Gerichte die Spielräume der Literatur einschränken und wie damit einhergehende Konflikte zwischen Kunst und Recht ausgetragen werden. Die Beiträge der neuen Ausgabe erinnern primär daran, was Literatur und Recht bei allen Unterschieden und Konflikten auf spannungsreiche Weise verbindet, und damit nicht zuletzt an Gemeinsamkeiten zwischen Literatur- und Rechtswissenschaft, zwischen philologischer und juristischer Hermeneutik.

Vor diesem Hintergrund lässt sich durchaus auch eine in dieser Ausgabe ausgetragene Debatte lesen. Es geht um Max Frisch. Ein Literaturwissenschaftler spielt in seiner Sammelrezension gleichsam die Rolle des Verteidigers, der den angeklagten Autor beziehungsweise seine Werke gegenüber kritischen Infragestellungen in drei neueren literaturwissenschaftlichen Publikationen rechtfertigt und seinerseits die Ankläger anklagt. Diese wiederum haben einen Einspruch vorgelegt. Weitere Beiträge zu diesem Verfahren sind willkommen. Ein abschließender Gerichtsentscheid ist allerdings nicht zu erwarten.

Was die Redaktion für die nächsten Ausgaben an Themenschwerpunkten vorgesehen hat, können Online-Abonnenten inzwischen unserer Themenplanung entnehmen. Doch reicht die Fülle der Beiträge natürlich in jeder Ausgabe über die anvisierten Themen weit hinaus.

Mit Dank an alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wünscht Ihnen eine anregende Sommerlektüre

Ihr Thomas Anz